Die Hassliste: Roman (German Edition)
Schulelternrat haben, was kein großes Problem sein dürfte.«
»Und das darf dann auch dort stehen bleiben?«, fragte Micky Randolf.
Jessica nickte. »Ja. Wir präsentieren es auf unserer Abschlussfeier und danach kann es dort bleiben.«
»Wir könnten eine Skulptur aufstellen oder so«, sagte Josh.
»Ja, oder einen Baum pflanzen«, sagte Meghan aufgeregt – offenbar hatte sie einen Moment lang vergessen, dass ich die Luft um sie herum verpestete.
»Skulpturen sind teuer«, wandte Mrs Stone ein. »Ist denn genug Geld da für etwas in dieser Größenordnung?«
Jessica wühlte in ihren Papieren herum. »Der Schulelternrat hat schon einen Beitrag zugesichert. Außerdem haben wir das, was auf unserem Konto ist. Und dazu die Einnahmen … aus dem Donutverkauf …« Einen Momentlang herrschte unbehagliches Schweigen. Seit dem 2. Mai waren keine Donuts mehr verkauft worden. Seit Abby Dempsey, Jessicas beste Freundin, am Donutstand getötet worden war. »Abby hätte gewollt, dass wir das Geld dafür verwenden«, sagte sie. Ich spürte Blicke auf mir, sah aber nicht hoch, um festzustellen, von wem sie kamen. Ich wand mich in meinem Stuhl, holte wieder tief Luft, hielt den Atem an und ließ ihn langsam herausströmen.
»Wir können uns was anderes ausdenken, um Geld aufzutreiben«, schlug Rachel Manne vor. »Wir könnten Lutscher verkaufen, mit einer Art Zustellservice wie bei Blumen.«
»Gute Idee«, sagte Jessica und kritzelte etwas auf ein Blatt Papier. »Und wir könnten eine große Eiscremeparty für die ganze Schule organisieren.«
»Eine Eiscremeparty, das ist gut. Ich würde mit Mr Hudspeth reden, vielleicht kann die Theatergruppe ein paar Showeinlagen dafür vorbereiten«, ergänzte Mrs Stone.
»Ja, super! Und der Schulchor würde bestimmt auch was aufführen«, sagte irgendwer anderer. Von überall her kamen jetzt Ideen angeflogen, alle redeten wild durcheinander. Zum Glück war ich dabei außen vor, alle hatten mich vergessen.
»Damit ist es beschlossen«, sagte Jessica, klappte ihren Block zu und legte den Stift weg. »Wir veranstalten eine Show und eine Eiscremeparty, um Geld aufzutreiben. Jetzt müssen wir uns nur noch überlegen, was für eine Art Denkmal es denn sein soll. Hat jemand Ideen?« Sie verschränkte die Arme. Keiner sagte etwas.
»Eine Zeitkapsel«, sagte ich. Jessica blickte mich an.
»Wie meinst du das?«
»Wir könnten eine Zeitkapsel machen. Mit einer Plakette oder einer Tafel, damit man weiß, wo sie liegt, und es müsste festgelegt sein, wann sie geöffnet werden soll, in fünfzig Jahren oder so. Dann könnten die Leute sehen, dass mit dieser Schule … dass da nicht nur … na ja, dass da mehr war.«
Stille breitete sich im Raum aus, während alle darüber nachdachten.
»Wir könnten eine Bank daneben aufstellen«, ergänzte ich. »Und die Namen von den … den …« Auf einmal konnte ich nicht weiterreden.
»Den Opfern«, sagte Josh. Sein Stimme klang rau. »Das hast du doch sagen wollen, oder? Die Namen von den Opfern sollen auf der Bank stehen. Oder auf der Plakette.«
»Alle oder nur die, die gestorben sind?«, fragte Meghan. Um mich herum wurde die Luft schwer. Ich blickte nach unten, denn ich wollte lieber nicht so genau wissen, wen alle ansahen. Mir war klar, dass ich es sein musste.
»Alle«, sagte Josh. »Ginny Bakers Name zum Beispiel, der muss doch unbedingt drauf, oder?«
»Dann ist es aber keine Gedenkstätte im engeren Sinn«, warf Mrs Stone ein und plötzlich redeten wieder alle durcheinander.
»Aber Ginnys Gesicht …«
»… das ist doch egal, es könnte ja auch einfach ein Ort des Erinnerns sein …«
»… ich finde, da müssen alle Schüler aus der Abschlussklasse aufgeführt werden …«
»Das wär super …«
»Schließlich sind wir auf irgendeine Art alle davon betroffen …«
»… könnte darum gehen, dass Leute ihr Leben verloren haben, aber vielleicht auch um andere Verluste, zum Beispiel …«
»… nicht nur unsere Klasse. Es sind ja auch Leute aus andern Stufen gestorben …«
»Aber wir kriegen’s nicht hin, die Namen von allen in der Schule draufzuschreiben …«
»Lasst uns alle draufschreiben, die gestorben sind«, sagte Jessica.
»Nicht alle«, sagte Josh derart laut, dass das Gerede der anderen verstummte. »Nicht alle«, wiederholte er. »Nick Levil kommt nicht drauf. Auf gar keinen Fall.«
»Streng genommen war er auch ein Opfer«, flüsterte Mrs Stone kaum hörbar.
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