Die Hassliste: Roman (German Edition)
er sagte: »Alles in diesem gottverdammten Haus ist alt und abgestanden.«
Ich blieb stehen, mit einem Fuß schon auf der Treppe. »Habt ihr euch wieder gestritten, Mom und du, oder was ist los?«
»Was würde das schon bringen?«, gab er zur Antwort.
»Willst du … soll ich uns eine Pizza bestellen oder so? Zum Abendessen, mein ich.«
»Was würde das bringen?«, wiederholte er. Diesen Satz konnte ich nachvollziehen, darum tappte ich weiter die Treppe hoch in mein Zimmer, wo ich beim Cornflakes-Essen Radio hörte. Er hatte übrigens recht – sie schmeckten wirklich alt.
Ich hatte mir gerade ein Stück von der versteinerten Pizza aufs Tablett getan und war dabei, etwas von dem schleimigen Fruchtcocktail in ein Schälchen zu löffeln, da hörte ich die Stimme von Mr Angerson direkt über meiner Schulter.
»Du hast doch nicht etwa vor, das draußen im Gang zu essen, oder?«, fragte er.
»Na ja, ich denk schon«, sagte ich und machte weiter. »Mir gefällt’s da draußen.«
»Das ist nicht die Antwort, die ich hören wollte. Soll ich schon mal einen Lehrer für den Strafunterricht am Samstag suchen?«
Ich drehte mich um und starrte ihm direkt in die Augen, wobei ich so viel Entschlossenheit in meinen Blick legte, wie ich aufbringen konnte. Aber Angerson machte sich nicht die Mühe, in meiner Miene zu lesen, also sagte ich: »Ja, ich glaub schon.«
Stacey, die vor mir in der Schlange stand, nahm ihr Tablett, machte sich klein und huschte zu ihrem Tisch hinüber. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie sie etwas zu Duce und Mason und den andern sagte. Alle wandten mir jetzt ihre Gesichter zu. Duce lachte.
»Ich werde auf gar keinen Fall zulassen, dass du hier an der Schule eine weitere Tragödie inszenierst, mein Fräulein«, sagte Mr Angerson zu mir, wobei ihm die Röte den Hals hochstieg.
Na prima, erst verleihen sie mir eine Medaille und schicken diesen Brief und reden über Helden und Vergebung, und dann so was.
»Es gibt eine neue Richtlinie hier in der Schule, die es verbietet, sich von den anderen abzusondern. Jeder, über den bekannt wird, dass er sich regelmäßig vom Rest der Schülerschaft isoliert, wird strengstens beobachtet. Ich will nicht in die Details gehen, aber in extremen Fällen kann auch ein Schulausschlussverfahren eingeleitet werden. Haben wir uns verstanden?«
Die Schlange, die jetzt bis zur Tür hinaus reichte, bewegtesich um mich herum und alle glotzten, während sie an uns vorbeigingen. Manche grinsten auch eigenartig und flüsterten ihren Freunden etwas über mich zu.
»Ich habe nie irgendwas inszeniert«, antwortete ich. »Und ich tue auch jetzt nichts Unrechtes.«
Er presste die Lippen aufeinander und funkelte mich an, die Röte wanderte nun hinauf bis in sein Gesicht. »Ich möchte, dass du dir genau überlegst, was du tust«, sagte er. »Schon allein aus Achtung vor den Überlebenden in dieser Schule.«
Er ließ das Wort »Überlebende« auf mich fallen wie eine Bombe – und es funktionierte. Das Wort erschütterte mich. Ich hatte das Gefühl, er hätte es absichtlich laut ausgesprochen und alle hätten es gehört. Er drehte sich um und ging weg, ich blieb beim Fruchtcocktail stehen. Mit zittrigen Händen löffelte ich immer mehr davon in mein Schälchen, obwohl sich mein Magen plötzlich anfühlte, als würde ich nie mehr etwas essen können.
Ich bezahlte und trug das Tablett in den Hauptteil der Cafeteria. Ich hatte das Gefühl, dass mich alle anstarrten, wie ein Haufen Kaninchen, die mitten in der Nacht von einem Licht aufgeschreckt und geblendet werden. Aber ich blickte nach vorne, nur nach vorne, und steuerte hinaus auf den Gang.
Ich hörte, wie Angerson drinnen in der Cafeteria ein paar Jungs einen Vortrag darüber hielt, wo Pommes hingehörten und wo nicht, und wappnete mich für eine zweite Runde der Auseinandersetzung mit ihm. Und tatsächlich hörte ich jetzt Schritte näher kommen.
»Bist du sicher, dass du das willst?«, fragte er, währendich mich auf den Boden setzte und das Tablett vorsichtig auf meinen Knien abstellte.
Ich machte den Mund auf, um ihm zu antworten, doch da wurde ich durch einen Wirbelwind von Bewegung unterbrochen. Mit einem Tablett in den Händen stürmte Jessica Campbell geschäftig auf den Gang hinaus, fegte um Angerson herum und ließ sich neben mir auf den Boden sinken. Ihr Tablett schepperte aufs Linoleum und sie wand sich aus ihrem Rucksack heraus.
»Hallo, Mr Angerson«, sagte sie aufgekratzt. »Tut mir leid, dass ich zu spät
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