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Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Brown
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deinen?«
    »Ähm«, sagte ich und schob mich ein wenig vor. »Ich   … ich kann nicht bleiben. Ich muss wieder nach draußen. Meine Mutter.«
    Ihr Kopf erschien – eine farbgesprenkelte braune Locke war ihr in die Stirn gerutscht. »Oh! Und ich hab gedacht, ich bekäm doch noch ein bisschen Gesellschaft heute. Wenn meine Kurse vorbei sind, ist es hier immer so still. Ganz verlassen irgendwie. Den Mäusen gefällt das, aber Bea nicht. Bea, das bin nämlich ich.« Sie nahm einen Schluck aus einer winzigen Teetasse, auf der ein Hase abgebildet war – die Tasse musste zu einem Kinder-Teeservice gehören. Beim Trinken streckte sie den kleinen Finger weg.
    »Sie geben hier also Unterricht?«, fragte ich.
    »Aber ja«, sagte sie und kam mit einer ausladenden Bewegung hinter dem Tresen hervor. »Ich gebe Unterricht. Man kann bei mir alle möglichen Kurse machen. Töpfern, Malen, Makramee – egal was du willst, bei mir kriegst du’s.«
    Ich bewegte mich ein klein wenig nach rechts und bohrte meinen Finger in einen Eimer mit Holzperlen.
    »Kann jeder Unterricht bei Ihnen nehmen?«
    Sie runzelte die Stirn. »Nein«, antwortete sie mit einem Blick auf meine Hand in den Holzperlen. Ruckartig zog ich sie heraus, zwei Perlen fielen herunter und kullerten über den Boden. Sie lächelte, als sie sah, wie ich rot wurde, fast als wäre sie entzückt über meine Verlegenheit. »O nein, ich unterrichte nicht jeden. Manche bringen mir was bei.«
    Ich war kurz davor zu gehen, als sie ihre Hand ausstreckte und nach meiner griff. Sie drehte sie mit der Innenseite nach oben und betrachtete sie genau, wobei ihre aufgemalten Augenbrauen nach oben zu ihren krausen Haaren schossen. »Oh!«, rief sie. »Oh!«
    Ich versuchte, meine Hand wegzuziehen, aber ohne besonders großen Nachdruck. Einerseits machte mich ihre Berührung total kirre, andererseits wollte ich unbedingt wissen, was hinter ihren erstaunten Ausrufen steckte.
    »Ich sollte los«, sagte ich, aber sie ignorierte es.
    »Tja, ich merke es eben immer sofort, wenn mir eine Künstlerseele begegnet. Du bist eine Künstlerin, stimmt’s? Natürlich bist du das. Du magst Purpur!« Sie drehte sich um, packte meine Hand noch fester und zog mich hinter sich her. Sie brachte mich zu der Leinwand, an der sie gerade gearbeitet hatte. Mit der freien Hand nahm sie Paletteund Pinsel vom Hocker und zeigte auf ihn. »Setz dich hin«, sagte sie.
    »Ich glaub wirklich, ich muss   …«
    »Jetzt setz dich. Der Hocker kann’s nicht leiden, wenn jemand seine Einladung nicht würdigt.«
    Ich setzte mich hin.
    Sie reichte mir den Pinsel. »Mal«, sagte sie. »Mach schon.«
    Ich starrte sie an. »Da drauf? Auf Ihr Bild?«
    »Papperlapapp. Das hier ist ein Gemälde, also mal was.« Ich hörte nicht auf, sie anzustarren. Da schubste sie meine Hand in Richtung Leinwand. »Jetzt mach schon.«
    Langsam tauchte ich den Pinsel in die schwarze Farbe und malte einen Streifen über die Leinwand, senkrecht zu dem Purpur.
    »Hmmm«, sagte sie und dann: »Ohhhh.«
    Das, was ich empfand, lässt sich mit dem Wort
wundersam
wohl am besten beschreiben. Oder vielleicht trifft es
beseelt
noch besser? Womöglich war es einfach beides, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich nach dieser ersten Linie nicht aufhören konnte und auch nicht nach dem nächsten Klecks oder nach den Punkten, die ich an den Rand gemalt hatte und die wie Bäume wirkten. Ich weiß nur, dass ich das Gefühl hatte, weit weg zu sein, und dass ich Bea hinter mir kaum hörte – ihre kleinen Ausrufe, ihr Summen, ihre Kindergespräche mit den Farben, in die ich den Pinsel tauchte: »Oh, ja, jetzt bist du dran, Ocker! Will das Kornblümchen denn auch mal mitspielen?«
    Doch plötzlich wurde ich von einem Brummen in der Vordertasche meiner Jeans aus meiner Träumerei gerissen – mein Handy schreckte mich von der Leinwand weg,die auf einmal wieder wie eine ganz normale Leinwand aussah.
    »Oh, diese verflixte Technik!«, schimpfte Bea, als ich dranging. »Warum verständigen wir uns bloß nicht mehr mit Brieftauben? Hübsche Federn mit einem wunderbaren Briefchen dran. Ich könnte hier ein paar Taubenfedern gebrauchen. Oder die von einem Pfau? Ja, genau, Pfauenfedern! Allerdings hat sich, glaub ich, nie irgendwer mit der Hilfe von Pfauen verständigt   …«
    »Wo bist du?«, blökte Mom am anderen Ende in die Leitung. »Mir ist ganz schlecht vor lauter Angst   – Dr.   Hieler ist nicht da, du bist nicht da. Verdammt noch mal, Valerie, warum kannst

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