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Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Brown
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doch dann überlegte ich es mir anders, machte noch ein paar Schritte und kniete mich vor die Couch. Jetzt erkannte ich ihren Schatten und sah das Weiß ihres Bademantels, der ihre Haut in der Dunkelheit aussehen ließ, als wäre sie total sonnengebräunt.
    »Bist du okay?«, wiederholte ich.
    Wieder war es lange still und ich fragte mich schon, ob ich nicht wirklich einfach ins Bett gehen sollte, so wie sie es gesagt hatte. Aber nach einer Weile fragte sie: »Du hast dir also was zu essen geholt? Ich hab Dr.   Hieler gesagt, dass ich dich schon Wochen nichts mehr essen gesehen habe.«
    »Ich bin nachts runtergekommen. Magersüchtig bin ich nicht, falls du das geglaubt hast.«
    »Das habe ich«, sagte sie und ich hörte, wie sich neue Tränen in ihre Stimme mischten. Sie schniefte wieder, dann trieb nur noch ab und zu ein stilles Schluchzen durch die Luft. Schließlich nahm sie einen tiefen Atemzug. »Du bist so dünn geworden und ich seh nie, wie du irgendwas isst. Was soll ich denn da denken? Dr.   Hieler hat schon vermutet, dass du wahrscheinlich genau das tust – essen, wenn ich nicht dabei bin.«
    Wieder einer von Dr.   Hielers Treffern. Mir war die meiste Zeit über gar nicht bewusst, wie sehr er sich für mich einsetzte; meistens bekam ich es gar nicht mit. Manchmal fragte ich mich, wie oft er Mom wohl schon heruntergeholt haben mochte, nachdem sie wegen irgendwas total Lächerlichem an die Decke gegangen war.
    »Dad ist also weg?«, fragte ich nach einer Weile.
    Ich glaube, sie nickte, denn ihr Schatten bewegte sich ein bisschen. »Er wohnt jetzt mit ihr zusammen. Es ist am besten so.«
    »Wirst du ihn vermissen?«
    Sie atmete tief ein und stieß die Luft dann hörbar wieder aus. »Das tu ich jetzt schon. Aber nicht den Typen, mit dem ich in den letzten Jahren zusammengelebt habe. Sondern den Mann, den ich geheiratet habe. Aber das verstehst du bestimmt nicht.«
    Ich kaute auf meiner Lippe herum und versuchte, mir darüber klar zu werden, ob mich ihre Abwehr verletzte. Ob ich dagegenhalten sollte.
    »Na ja, das tu ich schon«, sagte ich. »Ich vermisse Nick auch. Ich vermisse die Zeiten, wo wir einfach zum Bowlengegangen sind oder so, die Zeiten, wo wir glücklich gewesen sind. Ich weiß, dass du glaubst, er wäre durch und durch schlecht gewesen, aber das stimmt nicht. Nick war wirklich süß und dazu auch noch wirklich schlau. Das vermisse ich.«
    Sie putzte sich die Nase. »Ja, das tust du wohl«, sagte sie – und das fühlte sich so unglaublich gut an, dass es nicht in Worte zu fassen war. »Weißt du noch   …«, fragte sie, verstummte dann aber. Ich hörte, wie sie sich ein neues Papiertuch nahm, und dann kam wieder ein wässriges Schniefen. »Weißt du noch, wie wir im Sommer mal nach South Dakota gefahren sind? Wir waren in Grandpas altem Kombi unterwegs, erinnerst du dich, und hatten diese gigantische Kühlbox dabei, vollgestopft mit Sandwiches und Getränken? Wir sind bloß losgefahren, weil euer Vater wollte, dass ihr beiden, Frankie und du, das Mount-Rushmore-Monument zu sehen kriegt.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich weiß noch, dass du unser altes Töpfchen mitgenommen hast, falls wir mal neben der Straße müssten. Und Frankie hat Krebsbeine gegessen und dann quer über den Tisch gekotzt.«
    Mom kicherte. »Und euer Vater hat keine Ruhe gegeben, bis wir endlich diesen dämlichen Maispalast besichtigt hatten.«
    »Und Grandma hat den ganzen Weg über diese ekligen Zigaretten geraucht, weißt du noch?«
    Wir kicherten beide und verfielen dann wieder in Schweigen. Es war eine schreckliche Reise gewesen. Eine wunderbare, schreckliche Reise.
    Dann sagte Mom: »Ich wollte nie, dass ihr geschiedene Eltern habt.«
    Ich dachte darüber nach. Dann zuckte ich mit den Achseln, obwohl ich wusste, dass sie mich nicht sehen konnte. »Na ja, ich glaub, für mich ist es okay. Dad hat es gehasst, hier zu sein. Er ist vielleicht nicht der beste Vater in der Welt, aber ich finde, es sollte niemand so unglücklich sein müssen.«
    »Du hast es schon gewusst«, sagte sie.
    »Ja. Ich hab Briley vor einer Weile in seinem Büro gesehen. Ich hab’s erraten.«
    »Briley«, sagte Mom, als wollte sie den Namen abwägen. Fand sie, dass er sexy klang, mehr als ihr eigener Name? War
Briley
attraktiver als
Jenny
?
    »Hast du es Frankie gesagt?«, fragte ich.
    »Dein Vater hat’s ihm gesagt«, antwortete sie. »Gleich nachdem er mit dir gesprochen hat. Ich hab ihm klargemacht, dass ich ganz sicher nicht diejenige sein

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