Die Hebamme von Venedig
Isaaks Bein sahen, schnalzten sie ihren Pferden zu, und weiter ging es.
Isaaks Rücken brannte vom Ziehen des Karrens, und die Füße schmerzten noch immer von den Schlägen, die er an seinem zweitletzten Tag im Kerker unter dem Palast des Großmeisters erhalten hatte. Bevor sie eitrig würden, musste er sie im Meerwasser baden. Die Luft war so staubig, dass sein Speichel braun war, wenn er ausspuckte.
Mit jedem neuen Schlag auf die Räder schien es, als wollte die Achse brechen. Tiefe Furchen in der Straße machten es schwer zu entscheiden, wo sie begann und wo sie aufhörte. Isaak steuerte mehrfach ins Nirgendwo.
Das Schaffell, das in einer Ecke des Karrens lag, begann in der Hitze Fliegen anzuziehen. Isaak wollte Schwester Assunta schon bitten, es doch in die Büsche zu werfen, als ihm der Gedanke kam, es könnte eine gute Polsterung für das Kummet sein, und so fragte er sie, ob sie es ihm geben könne, faltete es zusammen und schob es unter das steife Ledergeschirr. Jetzt sammelten sich die Fliegen um seinen Kopf und ihr Brummen lag ihm in den Ohren, aber wenigstens gelang es ihm, den Karren wieder in Gang zu setzen.
Endlich kamen in der Ferne die Festungsanlagen von Sant Elmo in den Blick, ein Turm umgeben von mächtigen Mauern, und je näher Schwester Assunta und Isaak dem in der prallen Sonne daliegenden Militärlager kamen, desto belebter wurde die Straße. Eselskarren und Händler, die ihre Waren auf dem Rücken trugen, strebten der Stadt zu, darunter auch ein Ritter des Malteserordens in Mönchskutte, aber mit einem Entermesser in der Hand. Die Straße wand sich am Meer entlang.
Sie kamen durchs Stadttor und begegneten einigen Sklaven, die wie Isaak Fußfesseln trugen. Meist waren es Mauren aus Afrika oder Türken aus der Levante.
»Halt an und ruhe dich aus, Isaak. Ich will dich lebend an Joseph verkaufen.«
Er streifte das Geschirr ab, kletterte auf den Karren, setzte sich und ließ erschöpft den Kopf zwischen die Knie sinken. Er musste seinen Fluchtplan in die Tat umsetzen, bevor er alle Kraft verlor. Vor allem aber musste er etwas essen.
Schwester Assunta reichte ihm eine Wasserflasche, und er trank mit großen Schlucken. Das kühle Wasser rann ihm über den Hals und tropfte auf sein zerrissenes Hemd.
Ein paar Minuten später, auf dem Weg zum Hafen, kamen sie an einem Wagen voller Steckrüben vorbei, an denen noch die frische Erde klebte. Isaak bereitete sich innerlich darauf vor, eine der Rüben zu packen und roh zu verschlingen. Der Fahrer des Wagens war vollends damit beschäftigt, auf sein armes, abgearbeitetes Pferd einzuschlagen.
Doch gerade, als er zugreifen wollte, verkündete Schwester Assunta: »Ich denke, das ist der beste Ort, um Joseph zu finden. Er kommt hier um diese Zeit eigentlich immer vorbei.« Sie deutete auf den Garten einer Taverne, in dem Männer Schulter an Schulter auf langen Bänken saßen und tranken. Isaak zog den Karren in den Hof und hängte das Geschirr über den Ast eines Baumes. Die Sonne brannte auf sie nieder. Schwester Assunta hielt nach Joseph Ausschau.
Tatsächlich dauerte es nicht lange, und Joseph kam zusammen mit einem anderen Mann die Straße herauf. Sie führten ein Pferd mit sich, das einen Travois hinter sich herzog, beladen mit Stoffen und Eichenfässern. Schwester Assunta ging auf die beiden zu und hielt Isaak dabei am Arm gepackt. Der untersetzte, kräftige Joseph, dessen Goldzahn auch jetzt wieder in der Sonne blitzte, schien milder gestimmt und nicht mehr so sehr der großspurige Fiesling wie noch bei der Auktion.
Er unterhielt sich mit seinem Begleiter. »Giorgio, ich will sie, aber für sie existiere ich nicht einmal.«
Der Mann, der das Pferd am Zügel führte, glich Joseph so sehr, dass er sein Bruder sein musste. Er trug eine grobe Hose und ein verschmutztes Baumwollhemd. Sein Haar hing fettig und verfilzt herunter, und überhaupt gab es offenbar nichts an ihm, das nicht verdreckt und talgverschmiert war.
Giorgio brummte: »Du bist verhext. Weißt du nicht, dass eine Frau wie die andere ist? In ein liebeskrankes Kalb hat sie dich verwandelt.«
Joseph hielt einen Korb mit Trauben und Orangen im Arm. Der Geruch der sonnengewärmten Orangen wehte zu Isaak hinüber. Die Trauben waren dunkellila, mit einem Hauch wilder Hefe. Joseph war ein Schwein, ein Sklavenmörder, ein Grobian, ein Rüpel, aber Isaak hatte nie etwas so sehr gewollt wie diesen Korb Obst. Er sehnte sich danach, seine Zähne in eine der Orangen zu bohren und sie Stück
Weitere Kostenlose Bücher