Die Hebamme von Venedig
für Stück zu vertilgen. Er wollte den Saft über sein Kinn rinnen spüren. Er wollte die Trauben zerbeißen, mit Lippen und Zunge die Kerne vom Fruchtfleisch trennen und ihre Süße schmecken.
Joseph sah Isaak und dann auch Schwester Assunta. Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. »Lässt sich der Jude nicht so einfach bekehren, Schwester? Was wollt Ihr jetzt mit ihm machen? Ihn ans Wasser bringen und an die Fregattvögel verfüttern?«
»Ich verkaufe ihn dir zurück. Ich brauche meine fünfzehn Scudi.«
Joseph lachte. »Das wird nicht gehen. Im Übrigen sagt mir mein Gedächtnis, dass es zehn Scudi waren.«
»Zehn von mir und fünf von der Frau aus der Menge.«
»Ihr kommt zu spät, Schwester. Ich habe Euren Rat befolgt und mich für den Nubier entschieden, den Ihr mir empfohlen habt. Er ist bereits weiterverkauft an den Kapitän der Madre de Dios , die heute noch Richtung Zypern in See sticht. Da habe ich einen hübschen Gewinn gemacht.«
»Nun, jemand muss diesen Mann kaufen. Das Kloster braucht das Geld.«
»Versucht es beim Wirt der Taverne drüben.« Joseph machte eine Geste zu einem hölzernen Schild hin, auf dem Reniera e Soderina stand. »Vielleicht kann er da zwischen den Gästen die Kotze vom Boden aufwischen und Wein ausschenken, wenn er auch kaum kräftig genug aussieht, um einen Wischlappen zu halten. Ich habe keine Zeit für diesen Unsinn. Das hier …«, er machte eine Geste zu dem voll beladenen Travois hin, »sind die Ersatzsegel für die Salvatore .« Er deutete mit dem Kinn auf einen Dreimaster im nahen Hafen.
An der Hafenmauer drängten sich Handelsschiffe, Galeonen und sogar eine holländische Fleute. Schwester Assunta ließ sich von dem Trubel ablenken und beobachtete das Treiben. Das war Isaaks Gelegenheit, davonzulaufen und sich zu verstecken, und wenn es dunkel wurde, würde er sich an Bord eines der Schiffe stehlen und hinter ein Wasserfass kauern. Eine Passage aus den Psalmen schien vor ihm auf: Oh, hätte ich Schwingen wie eine Taube, ich flöge fort und ließe mich ruhig nieder.
Aber wenn er jetzt davonstürmte, genügte ein Ruf von Schwester Assunta, und eine nach Abwechslung hungrige Menge fiele über ihn her und risse ihn in Stücke. Der Hof der Taverne war voller derb aussehender Seeleute, die entschlossen schienen, sich so schnell wie möglich volllaufen zu lassen, bevor sie zurück auf ihre Schiffe gerufen wurden.
Schwester Assunta schob ihren Nonnenschleier ein Stück zurück und zeigte etwas mehr von ihrer breiten Stirn. »Beweise dein Mitgefühl«, sagte sie zu Joseph. »Er hat sehr gelitten.«
Giorgio ging dazwischen: »Ich leide auch. Ich habe fürchterlichen Durst, den nur eine Flasche Malmsey-Wein löschen kann.«
Isaak starrte auf das Obst in Josephs Arm. »Eine Orange, und ich helfe Euch mit Eurer Lieferung.« Er machte eine Geste zum Travois hin. »Ich liefere die Segel auf der Salvatore ab, während Ihr Euren Durst stillt.« Isaak atmete tief durch. Der Mann roch noch genauso schlimm wie bei der Auktion.
»Du siehst zu hungrig aus, als dass du etwas heben könntest, das schwerer ist als eine Babyrassel«, sagte Joseph.
»Oder ein Sack Pferdefedern«, sagte sein Bruder und bog sich vor Lachen über seinen eigenen Witz.
Rüpel. Ungebildetes Schwein. Da plötzlich hatte Isaak eine Idee. »Für eine Schreibfeder bin ich nicht zu schwach.«
Joseph zog die Brauen zusammen, und Giorgios Gesicht nahm den Ausdruck an, den man bei eher schwächeren Geistern öfter sah.
»Ich habe gehört, was Ihr vorher gesagt habt, es ließ sich nicht vermeiden«, sagte Isaak. »Ich kann lesen und schreiben. Soll ich einen Brief für Eure Dame schreiben? Gebt mir eine Orange, und ich gewähre Euch den Vorteil meiner Erfahrung in allen Herzensangelegenheiten.«
»Du hast mich bei der Auktion vor allen Männern beleidigt, und jetzt willst du Liebesbriefe für mich schreiben, für eine Orange? Für wie dumm hältst du mich eigentlich?« Joseph nahm Giorgios Arm und wollte ihn Richtung Taverne ziehen. »Der Korb ist für den Kapitän der Salvatore .«
Schwester Assunta legte eine Hand auf Josephs Arm. »Ein Sklave, der lesen und schreiben kann, könnte hilfreich sein für deine Geschäfte. Er kann auch rechnen und Bücher führen.« Sie griff nach dem Zaumzeug von Josephs Pferd, das unruhig sein Gewicht von einer Seite auf die andere verlagerte. »Fünfzehn Scudi, und er gehört dir, und wenn er dir nicht gefällt, verkaufe ihn einem anderen.«
»Bringt ihn weg,
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