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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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brachte nur einen Satz hervor: „Wo ist mein Junge?“
    Wortlos schwärmte die Schar aus, den Vermissten zu suchen. Es war Fernando, der ihn fand. Steif gefroren hing er mit einem Seil um den Hals an der St einbuche vor dem Zelt, das er, Barbara und ihre Söhne Heimstatt genannt hatten. Luigi durchtrennte den Strick, nahm Rinaldo behutsam in die Arme, bettete ihn seiner Frau in den Schoß. Sie weinte nicht, hatte keine Tränen mehr, strich ihm nur sanft durch das Haar und bedeckte ihn mit Küssen.
    Niemanden ließ Corinna in ihre Nähe. Nicht einmal Luigi und Fernando, die wie Wölfe heulten und sich gegenseitig umklammerten.
    Karina lief ins Wohnzelt, brühte T ee auf, um ihn der zitternden Tante einzuflößen. Wenige Minuten später kam sie mit der dampfenden Kanne zurück. Zu spät. Corinna lag mit dem Kopf auf Rinaldos Brust, war ihrem Kind gefolgt. In jenes Reich, aus dem es keine Rückkehr gibt.
     
     
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    Der Sturm hatte sich gelegt. Lediglich Schneeflocken tanzten weiter vom Himmel herab, bedeckten das blutige Rot, ließen den Erdboden bald erneut in glitzerndem Weiß erstrahlen. Richard hatte seine Tochter halb erfroren im Tannenhain gefunden und in Giovannas Zelt getragen. Er wickelte sie in warme Decken, gab ihr den für Corinna bestimmten Tee zu trinken.
    „Du bist mir geblieben, mein Schatz. Ich danke dem Herrgott dafür“, raunte er heiser, während Großmutter jammerte: „Warum muss ten meine geliebte Tochter, ihr Sohn und seine Kinder sterben, derweil ich altes Weib immer noch auf dieser Welt verharre? Hätten die Geister der Raunächte doch lieber mich geholt. Ach, hätten sie doch bloß mich geholt.“
    Alle klagten und wimmerten durcheinander. Trauer brannte sich in die Herzen der Hinterbliebenen ein.
    Richard war der Einzige, der einen klaren Kopf behielt. „Wir müssen die Toten begraben, bevor der Tag anbricht. Niemand darf je von der nächtlichen Tragödie erfahren. Sonst werden die Einwohner der umliegenden Dörfer uns vertreiben, wie sie es bereits seit unserer Ankunft nur zu gern täten.“
    „Du hast recht, Liebling“, bestätigte Halina unter Tränen. “Aber die Erde ist gefroren. Es wird schwierig so viele Gräber auszuheben. Wo ist de r Henker? Er hat Kraft. Sicher hält er sich in Isabellas Haus auf. Lass ihn uns zu Hilfe holen.“
    „Nein“, sagte Sander entschieden. „Besser, er weiß von nichts.“ Halina nickte.
    Darius und die anderen Männer begannen ächzend, den Boden zu bearbeiten. Schweiß lief ihnen, trotz der Eiseskälte, in Strömen herab. Viele Hände und muskelbepackte Arme schafften es, in wenigen Stunden ein tiefes Loch zu buddeln. „Das muss reichen“, stöhnte Darius. „Wir können nicht für Rinaldo, Barbara und jedes der Kinder ein Einzelgrab schaufeln. Dann sind wir morgen noch nicht fertig. Und ich glaube, es ist in Rinaldos Sinn, wenn seine Familie auch im Tod vereint bleibt.“
    „Was ist mit der Schweinehirtin und ihrer Enkelin?“, fragte Karina zögerlich und erntete einen verächtlichen Blick von ihrer Tante Halina. „Brennen sollen die Hexen. Wie es für Hexen üblich ist. Ich selbst werde den Scheiterhaufen errichten, und es wird mir eine Genugtuung sein, sie dem Feuer zu übergeben.“
    „Die Schweine auch?“
    Halina lachte spöttisch. „Die bekommen meine Raubkatzen zum Fraß. Das wird ein Sonntagsmahl für sie.“
    Unterdessen hatte Isabella sich heimlich zu Barbaras Leichnam geschlichen. Lange stand sie dort und erinnerte sich an die fernen Zeiten, als sie unzertrennliche Freundinnen gewesen waren. Tränen rannen über ihre Wangen. Scheu streichelte sie die Hände der Verstorbenen, drückte ihr einen Abschiedskuss auf den Mund. „Ich verzeihe Dir, meine Kleine“, murmelte sie kaum hörbar und betete für ihre Seele.
    Dann umarmte sie Winfried und Barbaras Sohn, den sie von Victor empfangen hatte. Über Rinaldos Körper warf sie sich voll Verzweiflung und weinte laut. „Du warst mir der liebste von all meinen Vettern. Das weißt du. Ich werde Dich immer in meinem Herzen tragen. Lebe weiter in Walhall, wo die Recken ihr Zuhause haben. Du bist einer von ihnen.“   
    Als die Verwandtschaft kam, um die Familie zu begraben, floh sie davon. Es war ihr unerträglich, zu erleben , wie kalte Erde die Begleiter ihrer vergangenen Jugend bedeckte. Barbara hat immer so leicht gefroren, dachte sie, Rinaldo wärme sie mit Deiner Liebe. Und vergiss nicht, die Kinder ebenfalls zu wärmen.
    Als ihr einfiel, dass ihr Vetter genauso kalt wie

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