Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
Vom Netzwerk:
frommen Herren, wenn der Preis dafür ist, dass die Leute mich für einen jämmerlichen Kastraten ansehen. Denn darauf läuft es letzten Endes hinaus.
    Dass ein Mann – einer, der nicht sein eigenes Geschlecht bevorzugt und der eine wunderschöne Frau aus Liebe geheiratet hat – freiwillig darauf verzichten sollte, mit ihr als Mann und Frau zu leben: Wer würde das für wahr halten?«
    Die Kirchenfürsten waren aufgrund der Heftigkeit seiner Rede ganz erschrocken verstummt. Auch Vater Berchtold hatte geschwiegen und es nicht mehr gewagt, seinen Herrn auf die leidige Geschichte hin anzusprechen.
    Dass nun Frau Irmintraut das heikle Thema erneut ins Spiel brachte, ergrimmte ihn sehr. Leider wusste er nicht, mit welchen Worten er ihr begegnen sollte. Ihre Ansichten waren in seinen Augen einfach skandalös!
    Die Heilerin blieb sehr nachdenklich zurück.
     
     

KAPITEL 46
     
    M EISTER K ONRAD SCHAUTE durch eine Turmluke hinunter auf den Platz vor der riesigen Baustelle, auf dem es wie immer von Menschen wimmelte. Nicht nur Arbeiter sah er, sondern eine Menge Gaffer, die sich allmorgendlich hier versammelten.
    Eine gigantische Summe würde der Bau noch verschlingen: die Fenster, die Altäre, das reich geschnitzte Chorgestühl, die riesigen silbernen Leuchter und Kandelaber, die Heiligenfiguren aus Marmor und vergoldetem Holz sowie der vorgesehene Mosaikfußboden würden eine Unmenge an Silber verschlingen.
    Aber es wurden, wie Vater Berchtold immer betonte, nicht nur materielle Mittel benötigt; auf jedem Dombau musste der Segen des HERRN ruhen. Ein Krieg im Landesinneren etwa oder ein Angriff von außen könnten das Aus bedeuten.
    Dabei dachte der Baumeister an die Ungarneinfälle im vergangenen Jahrhundert, die so viele Kirchen und Klöster zerstört hatten. Sie lagen nicht so lange zurück, dass es nicht noch ganz alte Einwohner gegeben hätte, die davon mit Schaudern zu erzählen wussten. Zahlreiche Ruinen sakraler Stätten legten noch jetzt Zeugnis vom Wüten der damals Ungläubigen ab: Erst der Vater König Stephans, des frommen Schwagers König Heinrichs, war zum Christentum konvertiert.
    Und Herr Heinrich vergaß nicht, hin und wieder darauf hinzuweisen: »Auch heute noch gibt es im Osten des Reiches Heiden, die uns überrennen würden, falls sie es sich denn getrauten. Und Boleslaw von Polen mag zwar Christ sein, kennt aber gewiss keine Scheu, sengend und brennend über Bamberg und seinen Dom herzufallen.«
    Um ihre Interessen besser wahren zu können, begannen die jeweiligen Handwerker einer Stadt sich neuerdings zusammenzuschließen, in sogenannten Zünften oder Gilden. Die Zunft-oder Gildemeister waren angesehene Männer, die im Rat der Städte ein gewichtiges Wort mitzureden hatten.
    Meister Konrad selbst war Mitglied in der Zunft der Steinmetze. Dieses ehrsame Handwerk hatte er erlernt, ehe ihn Meister Gandolf in die Geheimnisse des Dombauwesens eingeführt hatte. Der alte Lehrherr hatte ihm versprochen, dass Konrad an seiner Statt neuer Gildemeister werden sollte, da er aus Altersgründen bald schon seinen Sitz in der Zunft der Steinmetze von Würzburg räumen werde.
    Konrad besaß scharfe Augen und so war es ihm ein Leichtes, in der Nähe der königlichen Hofhaltung jenes Haus auszumachen, in dem er und seine Liebste seit ihrer Eheschließung wohnten. Beim Gedanken an sein schönes und verständiges Weib ging ihm das Herz auf.
    Jeden Tag, den GOTT werden ließ, dankte er dem HERRN für seine Griseldis, die ihm in einigen Monaten das wunderbarste Geschenk machen würde: ein Kind von ihrer beider Fleisch und Blut.
    Meister Konrad wandte sich von der Luke ab und begann, seinen Weg nach oben fortzusetzen. Er hörte, trotz des pfeifenden Windes, der in dieser Höhe um den fast vollendeten Turm strich, Bruchteile der lebhaften Unterhaltung der Männer und ihr Gelächter.
    Die Arbeiter hatten ihn jetzt entdeckt und riefen ihm schelmische Begrüßungsworte zu – etwas, was kein einfacher Bauarbeiter bei Meister Gandolf jemals gewagt hätte. Konrad jedoch legte großen Wert auf ein kameradschaftliches Verhältnis zu seinen Männern.
    Einer reichte ihm die Hand, um ihm das letzte Stück von der schmalen Planke auf das rundum laufende steinerne Gesims hinaufzuhelfen. Er bedankte sich, setzte sich neben die vier Handwerker auf den Mauervorsprung und ließ wie sie die Beine ins Leere baumeln.
    Die Männer hatten sich eben zu einer kleinen Pause niedergelassen; sie schoben sich kleine Bissen Brot in den Mund und

Weitere Kostenlose Bücher