Die Heilerin des Kaisers
hatte sie einen weißen Surkôt, einen ärmellosen Überrock, angezogen, welcher mit Edelsteinen besetzt und seitlich unter den Armen mit zarten Bändern verschnürt war. Dazu trug die Königin blaue Pantöffelchen aus Seide und auf dem Haupt mit dem üppigen, hochgesteckten Blondhaar saß ein goldener Reif, besetzt mit kostbaren Juwelen.
»Die Königin war unbestritten die schönste Dame des Hofes«, schwärmte noch Tage später Pater Berchtold, der neuerdings gebückt am Stock ging.
Der König erlebte nun schon eine über einen längeren Zeitraum hinweg anhaltende Schmerzfreiheit. Kein Nieren-und kein Blasenstein quälten ihn. Beinahe hegte der Herrscher die trügerische Zuversicht, sein Leiden auf Dauer überwunden zu haben.
So hatte die Witwe Griseldis Muße, sich ganz ihrem Projekt zu widmen, das seit einiger Zeit liegen geblieben war. Ihr Buch Ars Medicinae bedurfte noch der Illustrationen der betreffenden Heilpflanzen und der Instrumente, die man für die ärztlichen Behandlungen benötigte. Dabei handelte es sich um scharfrandige Löffel, die ein Medicus benutzte, um Eiter aus einer Wunde zu entfernen, oder die verschiedenen Haken aus Metall, mittels derer man die Wundränder aufklappte und offen hielt, um eine Verletzung säubern zu können.
Das Wichtigste erschien Griseldis eine Erfindung aus dem fernen Osten zu sein, die über die Araber zu den Mauren nach Spanien gekommen und auf mancherlei Umwegen sogar nach Deutschland gefunden hatte – leider nur zu ganz wenigen Heilkundigen: ein zangenartiges Gerät, womit die Wehmütter versuchten, Kinder auf die Welt zu holen, die sich weigerten, auf normalem Wege ans Tageslicht zu gelangen.
Vater Berchtold beglückwünschte sie beinahe täglich zu ihrer segensreichen Unternehmung: »Dieses Werk wird sicher vielen Ärzten und Heilern eine große Hilfe sein, wenn sie es als leicht verständliches und noch dazu bebildertes Nachschlagewerk benützen können.«
KAPITEL 53
G RISELDIS BESASS DEN Ehrgeiz, auch das Papier der Buchseiten selbst herzustellen. Dazu fragte sie den Pater um Rat.
»Aber natürlich werde ich Euch helfen, mein Kind.« Vater Berchtold war beglückt, nun auch an der praktischen Herstellung des großartigen Projekts Anteil haben zu dürfen.
»Seit jeher liebe ich die Buchmacherei ganz besonders. Ich weiß alles über das Material, das üblicherweise als Untergrund für Bibeltexte mit prachtvoll verzierten Versalien und bunten Malereien sowie für königliche Urkunden dient«, sagte der alte Mann und rieb sich erfreut die Hände. Er war sichtlich in seinem Element.
Pergament selbst herzustellen, ehe es beschrieben und bemalt wurde, hatte er in seiner Jugendzeit auf der Insel Reichenau als junger Mönch gelernt. Dort war es der ganze Stolz eines jeden Klosterbruders gewesen, sein Pergament eigenhändig zu fertigen. Die Mönche verbrachten viele Stunden des Tages damit, in mühseliger Handarbeit mit Feder und Tinte ganze Bücher auf Pergament zu kopieren. Da kaum jemand lesen und schreiben konnte, war die Bewahrung des geschriebenen Wortes von großer Bedeutung.
»Nach der Regel des heiligen Benedikt, unseres verehrten Ordensgründers, wird jedem Mönch der Besitz einer eigenen Schreibfeder zugestanden. Ich war in meiner Jugend sehr geschickt darin, Bücher kunstvoll auszugestalten«, sagte der Mönch mit gewissem Stolz.
»Als Erstes besorgen wir uns das Fell eines Kalbes oder einer Ziege. Das schaben wir mit einem Messer ab und reinigen es vom Gröbsten, als da sind Haare, Blut und Fett.
Dann spannen wir die Haut auf und lassen sie erst einmal ein paar Tage trocknen. Hernach legen wir sie einige Zeit in Kalklauge ein, damit sich auch die letzten Fleischreste und Haare besser ablösen lassen. Keine Angst, meine Tochter, ich helfe Euch natürlich bei jedem Handgriff.«
So gingen der betagte Mönch und die junge Witwe am nächsten Markttag zu den Viehhändlern unten an der Regnitz und erstanden einen kleinen Ziegenbock, den sein ehemaliger Besitzer auf ihren Befehl hin umgehend schlachten musste. Ein Knecht trug das tote Tier zu Griseldis’ Wohnung, wo der Pater und die Heilerin in der Scheune sogleich darangingen, dem Bock das Fell vorsichtig abzuziehen.
»Ich hatte befürchtet, Euch würde übel werden bei dem Anblick und dem Blutgeruch«, sagte der alte Benediktiner anerkennend. »Aber Euch wirft wohl nichts so leicht um.«
»Ach, woher denn, Vater«, sagte Griseldis lachend, »was glaubt Ihr, wie oft ich das daheim
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