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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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gesehen habe! Schon als kleines Mädchen musste ich beim Schweineschlachten mithelfen, wenn es darum ging, das Blut der Tiere aufzufangen und in einem Kessel zu rühren, damit es nicht vorzeitig stockte. Ich stamme doch von einem Bauernhof, wie Ihr wisst.«
    Einträchtig schabten beide mit scharfen Messerklingen das Fell des Ziegenbocks ab.
    Nach drei Tagen des Einlegens in Kalk breiteten sie die Haut auf einem hölzernen Schragen im Garten hinter dem Gebäude zum Trocknen aus, nachdem sie sie erneut mit einem besonderen Schaber abgekratzt hatten.
    »Nun lassen wir die Haut wieder trocken werden«, sagte Vater Berchtold. Er säuberte penibel die Instrumente aus Hirschhorn, die er eigens besorgt hatte.
    »Ich kann Euch gar nicht sagen, wie ich mich darauf freue, das fertige Pergament endlich benützen zu können«, sagte Griseldis versonnen, aber der Mönch bremste sie.
    »Nicht so schnell, liebes Kind! Erst wird die Bockshaut wieder getrocknet und zum Geschmeidigwerden nochmals für einige Tage in der Kalkbrühe eingeweicht. Erst danach spannen wir sie in einen Holzrahmen zum endgültigen Trocknen ein.«
    »Gütiger Himmel, dauert das lange!« Die junge Frau stöhnte ungeduldig auf. »Wann kann ich endlich anfangen, darauf zu schreiben?«
    »Wenn das Pergament ganz trocken ist, raut Ihr es mit einem Stück Bimsstein auf. So schreibt es sich angenehmer, weil die Tinte besser in den Untergrund eindringt, als wenn dieser zu glatt ist.«
    »Jetzt verstehe ich allmählich, warum Pergament so kostbar ist! Seine Herstellung ist ja ungeheuer aufwändig«, stellte Griseldis fest.
    »Daher benutzt man es auch in der Regel mehrmals, indem man den alten Text sorgfältig abschabt, um die Haut aufs Neue beschriften zu können.« Vater Berchtold lächelte. »Fehler werden auch mit dem Bimsstein entfernt. Ein Stück Pergament deswegen wegzuwerfen, wäre pure Verschwendung.«
    »Das erinnert mich daran, was mein verstorbener Mann Konrad über die Kirchenbaupläne gesagt hat«, fiel Griseldis ein. »Sie erfordern enorme Mengen an Pergament. Nach der Fertigstellung des Bauwerks werden daher die Zeichnungen des Baumeisters in aller Regel abgeschabt, um die Häute wiederverwenden zu können.
    Das hat allerdings den Nachteil, dass es so gut wie keine Baupläne der schönen Dome mehr gibt. Nur reiche Klöster, hat Konrad gesagt, leisteten sich manchmal den Luxus, die Pergamentrollen mit den Bauzeichnungen aufzubewahren.«
    »Um älteres, schon mehrfach benutztes Pergament wieder geschmeidig zu machen, benützen wir Mönche zum Abreiben eine Hasenpfote und nachher als Polierstift sogar einen echten Wolfszahn.«
    Kein Zweifel, Vater Berchtold schwelgte in guten Erinnerungen und Griseldis wollte ihm die Freude keinesfalls nehmen: »Die mit feinen, bunten Verzierungen und Malereien versehenen kostbaren Bücher nennt man Codices, nicht wahr? Sie sind eine wahre Augenweide. Überdies erlauben sie auch des Lesens Unkundigen, die Texte aus den Evangelien und der Kirchengeschichte rein bildlich zu begreifen.«
    Der Benediktiner, den das Alter und eine bescheidene Lebensführung mager, beinahe ausgezehrt erscheinen ließen, schaute sinnend in die Ferne. Griseldis konnte ihm deutlich ansehen, dass er sich in seine Jugendzeit auf der Klosterinsel Reichenau zurückversetzt fühlte.
    »In den Klöstern ist das Bearbeiten des Pergaments und das Grundieren mit feinem Blattgold zumeist die Aufgabe der ganz jungen Mönche, ebenso wie das Herstellen von Siegelmasse. Ich habe viel Zeit damit verbracht, aus Bienenwachs, Pech, Fett, Öl und roter Farbe Siegelwachs sowie Farben ganz allgemein herzustellen«, sagte er und sah Griseldis ins Gesicht. »All das werde ich Euch später noch erklären, wenn Ihr möchtet. Aber die Goldgrundierung können wir uns in Eurem Buch ersparen, denn sie gebührt nur heiligen Texten. Und Eure Ars Medicinae zu siegeln, habt Ihr wohl auch nicht vor. Aber der Mühe der Pergamentherstellung werdet Ihr Euch noch viele Male unterziehen.«
     
     

KAPITEL 54
     
    N ACH ALTEM R ECHT und Brauch wurde nach dem Tode eines freien Bauern sein Land unter seinen Söhnen aufgeteilt, wodurch die einzelnen Ackerflächen naturgemäß immer kleiner wurden. Oft reichten sie nicht mehr aus, um eine Familie zu ernähren.
    So wurden viele ehemalige Freie in die Unfreiheit unter die Botmäßigkeit eines reichen adeligen Grundbesitzers gezwungen. Die Schar der Unfreien und Hörigen wuchs von Generation zu Generation.
    Dietwulf, Griseldis’ Bruder, hatte

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