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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Manneszier an Attraktivität gewonnen, fand Griseldis.
    Der Kinnbart kaschierte ein wenig sein fliehendes Kinn; sein Gesichtsausdruck gewann dadurch an Männlichkeit und nahm ihm jene Weichheit, die schon viele getäuscht hatte, die da glaubten, mit Herrn Eberhard leichtes Spiel zu haben.
    ›König Heinrich hat gut daran getan, gerade diesen klugen und aufrechten Mann zum Kanzler des Reiches zu ernennen‹, dachte die Heilerin, die ihn über die Jahre hinweg genau beobachtet hatte. In der Auswahl seiner Getreuen schien der König überhaupt ein gutes Gespür zu besitzen. Wieder einmal fühlte sie das große Glück darüber, gerade Herrn Heinrich, den sie über alle Maßen bewunderte, dienen zu dürfen.
    Der König riss sie aus ihren Gedanken, denn er brach plötzlich in Gelächter aus.
    »Ich glaube gern, dass es so manchen Grafen oder Baron schwer trifft, wenn seine Untertanen einfach in die Städte flüchten, um frei zu sein von Pflicht und Fron.«
    »Ja, Herr«, sagte Herr Eberhard. »Und wenn der Lehnsherr hoch zu Ross vor dem Stadttor erscheint, um die unbotmäßigen Hörigen auf die heimische Scholle zurückzuscheuchen, muss er nicht selten erleben, dass ihm dreist das Tor vor der Nase zugeschlagen und er vom Stadtwall herunter noch frech angepöbelt wird.«
    »Ich kann die Herren damit trösten, dass ich, der König, vor denselben Schwierigkeiten stehe. Auch meine Bauern, freie wie unfreie, sind mir schon davongelaufen, um Bürger zu werden. Den Städtebau will ich trotzdem nicht unterbinden, denn die Städter schaffen Wohlstand für das ganze Land. Es gibt noch genügend Landbevölkerung, um die Versorgung zu sichern mit Vieh und Getreide.«
    »Hegt Ihr nicht die Befürchtung, dass die Städte zu groß werden könnten, Heinrich?«, warf jetzt die Königin ein, aber ihr Gemahl winkte ab.
    »Nein, Kunigunde, diese Sorge habe ich nicht. Die Stadtväter lassen durchaus nicht jeden, der um das Stadtrecht ansucht, auch aufnehmen. Hinter den Mauern dürfen sich keine Tagediebe, Verbrecher oder andere finstere Elemente ansiedeln. Auch wenn viele glauben, sich durch Flucht in die Stadt der Gerichtsbarkeit ihres ehemaligen Herrn entziehen zu können.
    Nein«, betonte der König abermals, »ich befürworte ausdrücklich den Aus-und Neubau städtischer Ansiedlungen.«
    Griseldis hatte zuletzt nur still zugehört. Ob tatsächlich keine Schurken und Spitzbuben Einlass in die Städte fanden – das wollte sie dahingestellt sein lassen. Nach ihrer Erfahrung gab es deren gerade genug, welche die Winkel und Schlupflöcher der verschachtelt aneinander gebauten Häuser ausnützten.
    ›Je größer so eine Stadt wird, desto mehr Verbrecher werden sich in ihr breitmachen. Die Möglichkeiten, durch Diebstahl, Betrug und Raubmord große Reichtümer zu erwerben, sind in einem ständig größer und unübersichtlicher werdenden Gemeinwesen ungleich vielfältiger als auf einem kleinen Bauerndorf‹, dachte Heinrichs Medica und sah zum König hinüber.
    Heinrich stand am Fenster seiner Hofhaltung zu Pöhlde und blickte auf das Getümmel, das im Hof unten zu sehen war, hinunter.
    »Ich will nicht der König eines Hirten-und Bauernvolkes sein«, sagte er bestimmt, »obwohl ich den Bauernstand achte und ehre. Dennoch braucht ein fortschrittliches Land Städte. Es wird Zeit, dass dies in die Köpfe meiner edlen Untertanen hineingeht.«
    Unentwegt trafen in Pöhlde Barone, Ritter, Grafen, Markgrafen und Herzöge ein, denn der diesjährige Hoftag war hierher einberufen worden. Der gepflasterte Innenhof hatte sich gefüllt mit Reitern, Pferden und Knechten.
    »Seht, mein Gemahl«, rief die Königin, die nun gleichfalls aus dem Fenster spähte, »es sind auch schon etliche Kutschen eingetroffen. Darin sitzen gewiss die geladenen Äbtissinnen und einige der Kirchenfürsten, denen der Ritt zu Pferde aus Altersgründen zu mühselig gewesen ist.«
    Frau Kunigunde verließ anmutig das Gemach, um den hochgestellten Ankömmlingen entgegenzueilen.
    »Mir ist durchaus bekannt, Herr Heinrich, dass manche Herren die Flucht ihrer Untertanen geradezu provozieren«, knüpfte Herr Eberhard an das vorhin Gesagte an. »Da jene in ihrem Lehnsherrn beileibe nicht den gütigen Vater, sondern nur den brutalen Unterdrücker erleben.
    Die Königin unterstützt Euch auch, Herr – trotz einiger Vorbehalte. Eure Gemahlin träumt ja sogar von einer Hauptstadt des Reiches, wie sie andere Länder längst besitzen. Das dauernde Umherziehen des gesamten Hofes findet Eure

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