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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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zum Glück nur zwei Schwestern, die er einmal mit Geld oder Sachwerten entschädigen müsste, aber nicht mit Grund und Boden, wie mit einem Bruder zu verfahren wäre.
    Noch waren die meisten Menschen fromm und glaubten, dass dies GOTTES Wille sei und an diesem göttlichen Recht nicht zu rütteln wäre. Doch, wie der Kanzler in einem Gespräch mit dem König klarstellte, waren die Dinge im Begriff, sich zu ändern.
    »Vieles ist im Umbruch, König Heinrich. Was vor Jahren als gottgegeben und beständig bis in alle Ewigkeit gegolten hat, wird heute zunehmend in Frage gestellt. Noch verhalten sich die Leute auf dem Lande ruhig; jedermann fügt sich noch in sein Geschick und muckt nicht dagegen auf. Und der HERR verhüte, dass es jemals anders werde.«
    Griseldis, die sich mit der Königin zufällig im selben Raum befand, wagte es, sich in die Unterhaltung einzumischen. Das stand ihr zwar keineswegs zu, aber der Herrscher war heute besonders gut gelaunt. Gerade vorhin hatte Heinrich seine Medica ein leuchtendes Beispiel an Zuverlässigkeit und Pflichterfüllung genannt. Nur deswegen erlaubte sich die junge Frau diesen Verstoß gegen die guten Sitten.
    »Ruhig ist es schon, Herr Eberhard, aber nur nach außen hin. Der Unmut in den Dörfern wächst. Das fängt bereits damit an, dass seit Anfang des neuen Jahrtausends sowohl Freie als auch Hörige als ›Bauern‹ bezeichnet werden.«
    »Ach ja? Und was sollte denn daran ehrenrührig sein?«, wollte der König wissen.
    »Ein Mann wie mein Bruder Dietwulf ist verärgert über diese unrechtmäßige Gleichstellung. Er weist wie andere auch lautstark auf die trennenden Standesunterschiede von Freibauern hin, die nur den Kirchenzehnten zu entrichten haben, und den Hörigen, welche einem geistlichen oder weltlichen Herrn zinspflichtig sind und immer Gefahr laufen, unfrei zu werden.« Griseldis hatte sich in Fahrt geredet.
    »Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die im Bauernstand lebenden Freien ja durchaus noch zum Kriegsdienst verpflichtet sind, wenn sie auch mangels Bedarf und wegen geringer Tauglichkeit immer seltener aufgeboten werden.
    Mein Bruder poliert sein Schwert immer noch, aber bis heute ist er noch zu keinem Waffengang geladen worden. Und mein verstorbener Vater hat nur ein einziges Mal Eurem Herrn Vater, Herzog Heinrich dem Zänker, in einem Kriegszug Gefolgschaft geleistet.«
    »Das mag alles stimmen, Frau Griseldis«, bestätigte der König. »Zudem behandeln die adligen Ritter die zu Fuß gehenden Krieger herablassend – völlig zu Unrecht, wie ich meine.«
    »Offener Widerstand zeigt sich noch nicht, Herr Heinrich, aber etwas anderes zeichnet sich deutlich ab: Die aufblühenden Städte üben eine magische Anziehungskraft auf die Landbevölkerung aus.«
    »Wem sagt Ihr das, Frau Griseldis?«, rief der Kanzler aus. »›Stadtluft macht frei‹ heißt die Losung und zieht sowohl Freie wie Unfreie und Hörige hinter die Stadtmauern. Eigenmächtig nennen sie sich dann burgenses oder cives und erklären sich für frei – eine Tatsache, die man nicht einfach so hinnehmen sollte.«
    »Die Neugründung von Städten unterstütze ich sehr«, hielt der König seinem Kanzler entgegen. »Um noch mehr Ansiedler anzulocken, werde ich demnächst damit werben lassen, dass jeder Unfreie, der ein ganzes Jahr lang plus einen Tag unbeanstandet in einer Stadt gewohnt hat, sich zu Recht als Freier ansehen darf.
    So werden wir einen dritten Stand erhalten, den des Bürgers, im Gegensatz zu Adel und Bauern. Das Recht, Waffen zu tragen, werden wir den Bürgern belassen – auch wenn es einigen Edelleuten gewaltig gegen den Strich gehen wird.«
    Griseldis wusste von ihrem verstorbenen Mann Konrad, dass das sogenannte Bürgerrecht an verschiedene Bedingungen geknüpft war: Das Gewerbe des Ansuchenden musste ehrenhaft sein, was etwa den Henker und seine Gehilfen oder käufliche Frauen von vornherein ausschloss. Zudem hatte er getaufter Christ zu sein, was es wiederum Juden oder Mohammedanern unmöglich machte, Bürger einer Stadt zu werden, wenn sie weiter ihrem Glauben anhingen.
    »Ein großer Teil des Adels ist der Städte wegen in äußerst schlechter Stimmung, Herr«, insistierte der Kanzler, aber der König schien beinahe gleichgültig. Herr Eberhard strich sich über seinen Bart, den er sich neuerdings wachsen ließ. Obwohl nur wenige Jahre älter als sein Herrscher zeigten seine Haupt-und Barthaare schon zahlreiche weiße Fäden. Aber Herr Eberhard hatte durch die neue

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