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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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an den schlanken, weißen Hals zu wünschen.
    Sooft die Heilerin Herrn Heinrichs ihren Blick ans vordere Ende der Tafel schweifen ließ, konnte sie sehen, wie die schwarzhaarige Verführerin sich an ihren Liebsten schmiegte, ihn mit verzehrenden Blicken verschlang und sich von ihrem Tischherrn wie ein verspieltes Kätzchen füttern ließ, wobei sie die Finger des Grafen mit ihren sinnlichen Lippen festhielt, mutwillig an ihnen knabberte und mit halbgeschlossenen Lidern ihre kleine, rote Zunge spielen ließ…
    Es war offensichtlich, dass Frau Irmintraut die alte Sitte weidlich ausnützte, bei der die Dame sich von ihrem Kavalier bei Tisch die Bissen reichen ließ, damit sie sich ihre eigenen Hände nicht beschmutzen musste.
    Griseldis’ scharfen Augen entging auch diesmal nicht, dass die Base Kunigundes Herrn Wolfharts sehnige, braune Hand festhielt und jeden einzelnen seiner Finger sorgfältig ableckte, nachdem er ihr ein Stückchen vom Braten in den Mund gesteckt hatte. Dabei lachte sie ihn herausfordernd an und machte anschließend eine anscheinend sehr geistreiche Bemerkung, denn nicht nur der Herr von Liebenzell, sondern alle in der Nähe Sitzenden, selbst König Heinrich, lachten unbändig, manche klatschten sogar Beifall.
    Als Wolfhart daraufhin seiner Tischdame galant die Hand küsste, konnte es Griseldis nicht mehr länger ertragen. Leise stand sie auf und verließ unbemerkt die Halle. Sie wusste, dass sie den Liebsten an Frau Irmintraut verloren hatte.
    Sie wollte ihre Kemenate aufsuchen und sich aufs Bett werfen, obwohl der Schlaf sie sicherlich fliehen würde. Denn vor ihren Augen würde beständig das Bild auftauchen, das ihr die Schwarzhaarige zeigte, die eine Hand besitzergreifend auf den Schenkel Herrn Wolfharts legte und mit der anderen seine Rechte umklammerte, um einzeln seine Finger abzulecken… Dieses Bild voll praller Sinnlichkeit, dargeboten in aller Öffentlichkeit und mit größter Selbstverständlichkeit, verstörte sie am meisten. Ein Glück, dass bisher nur sie selbst, der Freiherr sowie Vater Berchtold von ihren Plänen gewusst hatten. Eine Hochzeit zwischen dem Herrn von Liebenzeil und Griseldis von Tannhofen würde es jedenfalls nicht geben.
     
    Um nicht Zeugin des Liebesglücks zu werden zwischen Irmintraut und Wolfhart, der völlig in ihrem Banne zu stehen schien, erbat Griseldis sich vom König die Erlaubnis, nach Hause reiten zu dürfen, um wieder einmal ihre Familie zu sehen. Ihre Eltern lebten zwar nicht mehr, aber wie es Bruder, Schwägerin und jüngerer Schwester mittlerweile erging, wusste sie nicht.
    Da es Herrn Heinrich seit Längerem sehr gut ging, ließ er seine Medica, die Edle von Tannhofen, wie sie mittlerweile hieß, in GOTTES Namen ziehen. Ihre Ankunft in ihrem Heimatdorf im Herbst des Jahres 1012 erfolgte überraschend und Griseldis war gespannt, wie man sie nach so vielen Jahren aufnehmen würde.
    Als sie an der Spitze ihrer Begleiter durch das offen stehende Hoftor geritten war – immerhin ein gutes Zeichen, man rechnete also nicht mit feindlichen Überfällen –, tauchte aus einem der Viehställe ihr Bruder auf.
    »Ach, herrje«, rief er fast erschrocken aus, als seine Schwester Griseldis vom Pferd gestiegen und auf ihn zugelaufen kam. »Was führt dich denn hierher? Ist etwas geschehen?«
    Das klang nicht sehr ermunternd und sie blieb stocksteif vor ihm stehen – eigentlich hatte sie vorgehabt, Dietwulf um den Hals zu fallen.
    »Ich wollte euch alle nach langer Zeit wieder einmal sehen – ist das so schwer zu verstehen, Bruder?«, fragte sie befremdet. Mit einem Seitenblick hatte sie aus dem Augenwinkel heraus ihre Schwägerin Rottraut bei der Scheune gesehen, wo diese einer Schar Hühner aus einer Schüssel Futter vorstreute.
    Die Bäuerin musste die Ankömmlinge gehört und gesehen haben; vor allem aber hatte sie wohl Griseldis erkannt. Aber sie tat uninteressiert und ließ sich in ihrer Arbeit nicht stören. Erst als die Futterschüssel leer war, stellte Rottraut sie auf einen Hackklotz, wischte die Hände an ihrer Schürze ab und schlenderte betont langsam auf die Besucher zu, wobei sie die Augenlider zusammenkniff.
    »Ach, da schau her. Die vornehme Frau Schwägerin hoch zu Ross mit Dienstmagd und gleich vier Herren als Geleit! Nobel, nobel«, bemerkte sie hämisch, als sie vor Griseldis stand und deren grünes Seidengewand mit dem weißen Surkôt aus feinster Lammwolle neidisch begutachtete. »Da ist es ja wahrlich ein Wunder, dass du überhaupt noch

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