Die Heilerin des Kaisers
die Sprösslinge seines Vorgängers nicht haben will, verstehe ich nicht, warum du ihn überhaupt geheiratet hast.
Du weißt doch, wie die hartherzige Rottraut mit deinen Kindern umgeht – und trotzdem hast du sie ihr anvertraut.«
Gertrud war sehr verlegen über den Tadel der Älteren und stotterte etwas von schwacher Gesundheit, zu viel Arbeit und zu wenig Geld. Aber Griseldis war nicht bereit, die Ausflüchte der jüngeren Schwester gelten zu lassen.
Da trat der Pfarrherr des Dorfes in die Wohnstube ein und versuchte mit salbungsvollen Worten und großartigen Gesten seiner Schwägerin zu imponieren. Aber da kam er schlecht an.
»Hochwürdiger Herr«, sagte die Medica König Heinrichs trocken, »Ihr seid ein Mann der Kirche und damit der christlichen Nächstenliebe und Barmherzigkeit in besonderem Maße verpflichtet. Was also hat es mit den Kindern Eures Weibes auf sich? Sie sind keineswegs Bastarde, sondern wurden im Ehebett gezeugt. Warum habt Ihr sie dennoch verstoßen? Ich denke, es wäre Eure Christenpflicht, wenn Ihr die Frau haben wollt, auch ihren Anhang bei Euch aufzunehmen.«
Der Geistliche schien gesonnen, um den heißen Brei herumzureden, aber Griseldis war keineswegs gewillt, seinen faulen Ausreden Gehör zu schenken. Sie schnitt ihm einfach das Wort ab.
»Ich erwarte, Schwager, dass Ihr morgen die Kinder Gertruds zu Euch in den Pfarrhof nehmt. Ich selbst werde sie Euch am morgigen Tag übergeben. Wenn Euch der Kindersegen zu groß sein sollte, dann haltet Euch in Zukunft zurück, um diesen nicht noch zu vermehren.«
Der Pfarrer und sein Weib waren rot angelaufen – ob vor Wut oder aus Scham, konnte Griseldis nicht sagen, aber sie scherte sich auch nicht darum.
»Falls Ihr aber glaubt, hochwürdiger Herr Schwager, Ihr könntet, sobald ich wieder fort bin, den alten Zustand erneut herstellen, dann habt Ihr Euch getäuscht. Ich werde mich regelmäßig danach erkundigen, wie Ihr es mit Euren Stiefkindern haltet. Und falls ich erfahren müsste, dass Ihr Euch Eurer Verantwortung wieder entzogen habt, werde ich mich an Euren Vorgesetzten, den Bischof von Regensburg, wenden.«
Als Griseldis darauf die spöttische Miene des Dorfpfarrers wahrnahm, trat sie ganz nahe an ihn heran, legte ihm vertraulich ihre Hand auf den Arm und sagte leise:
»Glaubt mir, Schwager, einer Freifrau von Tannhofen und Medica unseres Königs wird der Bischof zu jeder Zeit Gehör schenken. Und wenn Ihr Seiner Eminenz unangenehm auffallt, könnte es leicht geschehen, dass Ihr den bequemen Posten in Tannhofen nicht mehr lange innehabt, sondern Euch auf einmal an einem Ort wiederfindet, der Euch alles andere als genehm ist. Haben wir uns nun verstanden?«
Der Pfaffe war nicht gerade ein Dummkopf. Umgehend zog er andere Saiten auf, hieß die »liebe« Schwester seiner Frau herzlich willkommen, sprach von einem bedauerlichen Missverständnis und widrigen Umständen, die ihn bisher leider gehindert hätten, die Kinder des Verstorbenen zu sich zu nehmen.
Für Griseldis war nur wichtig, dass der Geistliche zusagte, ab jetzt für Gertruds Kinder wie ein guter Vater zu sorgen. Sie wusste, sobald das Gespräch auf seinen Kirchenoberen kam, wünschte sich in der Regel jeder kleine Dorfpriester eine Tarnkappe. Herr Ansgar bildete hier keine Ausnahme.
Im Gegenteil! Wusste er doch nur zu gut, dass die hohen Kirchenmänner es äußerst ungern sahen, wenn die Priester sich verehelichten. Und besonders der Bischof von Regensburg war in dieser Hinsicht ganz ungnädig – auch wenn Ehen von Geistlichen von der Kirche nicht ausdrücklich verboten waren.
Meistens duldeten die Bischöfe es widerwillig, wenn einer ihrer geweihten Diener ein Eheweib nahm. Falls jedoch ein verheirateter Priester in der Gemeinde Anstoß erregte, gab es in der Regel kein Pardon. Die Folgen konnten sehr unangenehm sein, angefangen von unliebsamen Versetzungen in völlig abgeschiedene Gegenden, bis zur erzwungenen Trennung von der Ehefrau.
Behielt der Seelenhirte sein Weib trotz allem bei sich, sank dieses auf den Stand einer »Beischläferin« herab und seine Sprösslinge galten als Bankerte.
Oh ja, Griseldis Schwager wusste Bescheid! Außerdem ging ihm erst jetzt die hohe Stellung seiner Schwägerin auf. Verärgert gab er im Stillen seiner Frau die Schuld daran, dass diese ihn nicht rechtzeitig vor ihrer älteren Schwester gewarnt hatte.
Augenblicklich war er die Freundlichkeit in Person und befahl Gertrud, den jetzt unleidlich quäkenden Säugling einer Magd
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