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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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herfindest zu uns gewöhnlichen Bauersleuten.«
    Am liebsten wäre Griseldis wieder auf ihr Pferd gestiegen und hätte die ungastliche Stätte verlassen. Sie überlegte, ob es wohl ein Fehler gewesen war, hierherzukommen – man hieß sie offensichtlich nicht willkommen. Aber nun, wo sie schon einmal da war…
    »Wie geht es euch?«, richtete sie stattdessen die Frage an den immer noch linkisch dastehenden Bruder. Dietwulf war alt geworden, fand seine jüngere Schwester. Scharfe Falten durchzogen seine von der Sonne gegerbte, tiefdunkle Gesichtshaut und sein schulterlanges Haupthaar – nur die unfreien Bauern mussten es scheren – war bereits vollkommen ergraut. Dazu war er mager, aber muskulös und sehnig, wohingegen sein Weib fett geworden war. Die Eheleute, die beide einen recht ungepflegten Eindruck machten, überhörten scheinbar ihre Frage.
    Etliche Kinder plärrten im Hof, wobei ein Junge sich damit hervortat, die anderen durch Hineinstampfen in eine Mistlache mit Dreck vollzuspritzen.
    »Lass das sein, Hartmut«, rief Dietwulf ärgerlich. Der etwa Neunjährige grinste unverschämt, patschte noch einmal trotzig in die Pfütze, ehe er sich mit boshaftem Lachen hinter die Scheune trollte, die übrigen Kinder im Schlepptau.
    ›Offenbar ist Hartmut der Anführer dieser Racker‹, dachte Griseldis. ›Er ist ein ungezogener, kleiner Rotzbengel.‹
    »Eine Menge Kinder habt ihr. Gratuliere«, nahm Griseldis einen neuen Anlauf.
    »Uns gehört nur einer, der Hartmut«, gab ihr Bruder verdrossen zur Antwort. »Die anderen stammen alle von Gertrud.«
    »Oh.« Jetzt war Griseldis angenehm überrascht. »Dass meine kleine Schwester geheiratet hat und mehrfach Mutter geworden ist, wusste ich gar nicht.«
    »Was weißt du denn überhaupt? Ja, einem armen Schlucker aus dem Nachbardorf hat sie sich an den Hals geworfen«, erklärte bissig mit schief gezogenem Mund die ehemals so schöne Schwägerin. »Nachdem er ihr in sechs Ehejahren fünf Kinder gemacht hat, ist er gestorben. Seitdem haben wir die verdammten Bälger am Hals.«
    »Aber Weib, was redest du bloß?« Verlegen versuchte der Bauer, Rottraut zum Schweigen zu bringen. Vergeblich.
    »Es stimmt doch, dass sie allesamt unnütze Fresser sind«, keifte die dicke, schlampige Frau zurück. Dietwulf war rot geworden vor Verlegenheit, aber Griseldis wollte diesen Vorwurf nicht auf der jüngeren Schwester, an der sie mit ganz besonderer Liebe gehangen hatte, sitzen lassen.
    »Aber dass Gertrud – genau wie ich übrigens – ihren Anteil auf dem Hof gelassen hat, davon redest du nicht?«, begehrte sie daher auf. »Wäre es nämlich anders und Gertrud hätte ihre Mitgift vom Hof genommen, hättet ihr es mir sicher jammernd mitgeteilt.« Auch sie vermochte Spitzen auszuteilen.
    Ehe Rottraut erneut eine ungute Bemerkung machen konnte, ging Dietwulf dazwischen. »Wie auch immer, sei willkommen, Griseldis. Tritt ein mit deinen Leuten und lass dich in der Stube nieder. Meine Bäuerin wird allen zu essen und zu trinken bringen.«
    Mit giftigem Blick streifte das Weib seinen Eheherrn, dann aber trat es von der Haustüre zurück und gab den Weg für die Ankömmlinge frei.
     
     

KAPITEL 62
     
    A UF DEN ERSTEN Blick erkannte Griseldis, dass Dietwulfs Hausfrau die Wirtschaft des Hauses in guter Ordnung hielt. Nach dem Aussehen Rottrauts, die sich offenbar ganz und gar gehen ließ, hatte sie nur Schlamperei erwartet. Aber nichts dergleichen.
    Der Boden der Wohnstube war sauber gefegt, alles aufgeräumt, der Kamin war vom Ruß befreit und die kupfernen Töpfe und Pfannen hingen reinlich gespült und blitzblank gescheuert an Haken über der Feuerstelle in der Mitte des Raumes.
    »Schön hast du es hier«, lobte Griseldis, aber gleich wieder fuhr Rottraut auf sie los.
    »Ha! Vor einem Jahr hättest du hier sein sollen! Da wusste ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht vor lauter Arbeit. Vor fünf Jahren haben wir zeitweilig Dietwulfs und deine Eltern zu uns ins Haus nehmen müssen, weil Frowein mit der Verrückten allein nicht mehr zurechtgekommen ist. Es war einfach grauenhaft, kann ich dir sagen!«
    Griseldis glaubte das der Schwägerin unbesehen; aber dennoch tat es ihr weh, die andere so abfällig über Dietlinde sprechen zu hören. Immerhin war diese ihre Mutter gewesen und sie hatte sie noch ganz anders in Erinnerung…
    Aber weil sie keinen Streit vom Zaun brechen wollte, schwieg sie. Rottraut hingegen war nicht aufzuhalten. »Deine Mutter verlor zunehmend ihren Verstand. Sie

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