Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
Vom Netzwerk:
zu übergeben und ihrer verehrten Frau Schwester auf das Trefflichste aufzuwarten.
    Griseldis vermochte sich so mühelos davon zu überzeugen, dass der Herr des Pfarrhofs und seine Angetraute in durchaus angenehmen Verhältnissen, sogar in einem gewissen Wohlstand lebten. Weil der Heilerin jedoch nicht an Verdruss mit ihrer nächsten Verwandtschaft gelegen war, machte sie den beiden einen Vorschlag, den diese sofort begierig aufgriffen.
    So kam es, dass die kinderlose Heilerin doch noch zu einem Sohn gekommen war – wenn auch nur zu einem an Kindes statt angenommenen Neffen. Überdies hatte sie sich durch ihr Eingreifen die Dankbarkeit von ihrem Bruder Dietwulf und seiner Frau Rottraut erworben, die nun etliche hungrige Mäuler weniger an ihrem Tisch sitzen hatten.
     
     

KAPITEL 63
     
    I NSGESAMT WAR G RISELDIS vier Wochen in ihrem Geburtsort Tannhofen geblieben, dessen Namen sie nun nach dem Willen des Königs als den ihren führen durfte. Sie war der Schwägerin zu deren nicht geringem Erstaunen bei der Hausarbeit zur Hand gegangen, war sich nicht zu schade gewesen, den wenigen Knechten bei der vorwinterlichen Feldarbeit und beim Schweineschlachten zu helfen, hatte schließlich einer Stute beim Fohlen beigestanden und den eitrigen Mahlzahn einer Kuh gezogen.
    Darüber hinaus war sie, wie früher auch, mit männlicher Begleitung zu den Kranken des Dorfes und der Umgebung geritten und hatte sie versorgt wie eh und je.
    »Dass du dich zu so niedrigen Arbeiten herablässt«, wunderte sich Rottraut, als sie es erlebt hatte, wie Griseldis ihren eingefetteten Arm bis zum Ellbogen in der Vulva der Stute versenkte, um das quer liegende Fohlen im Mutterleib zu drehen, so dass es, wie bei Pferden üblich, mit den Beinen voran zur Welt kommen konnte.
    »Weißt du, Rottraut, der leidenden Kreatur zu helfen ist keine niedere Tätigkeit. Dabei ist es übrigens gleichgültig, ob du einem Tier oder einem Menschen in seiner Not hilfst und ob dieser Mensch ein Bettler oder ein König ist.«
    »Hast du noch die Kraft in deinen Händen, womit du früher die Kranken gesund gemacht hast?«, wollte Dietwulfs Weib wissen und bereitwillig erzählte Griseldis von ihrer Arbeit bei Hofe als Heilerin des Königs. Es war das erste Mal, dass beide Frauen überhaupt ein persönliches Gespräch miteinander führten.
    Bemerkenswert dabei war, dass keinerlei Feindseligkeit von Seiten Rottrauts die Unterhaltung vergiftet hatte.
    Als die vier Wochen um waren, die der König seiner Medica als Urlaub zugestanden hatte, war Griseldis glücklich, nicht im Unfrieden Abschied von ihrer Familie nehmen zu müssen. Auch von der schwangeren Schwester und ihrem Mann, dem Dorfpriester Ansgar, hatte sie sich freundschaftlich verabschiedet – und das war mehr, als sie jemals hatte erwarten können.
    Was ihr aber am meisten Freude bereitete, war ihr kleiner Patensohn Gunther, der älteste Sohn Gertruds, den sie mit nach Bamberg nehmen würde. Ein paar Jahre noch würde der erst Siebenjährige bei ihr bleiben können, dann müsste man weitersehen, welche Schule für den aufgeweckten Jungen die richtige war. Sie hoffte, das Kind würde Lachen und Fröhlichkeit in ihr allzu ruhiges Leben bringen und ihr helfen, über die bittere Enttäuschung mit Herrn Wolfhart hinwegzukommen.
     
    Kurz nach ihrer Rückkehr sorgte eine junge Edeldame, die erst seit ein paar Wochen am Hof Heinrichs lebte und ein Protege von Frau Irmintraut war, an der königlichen Abendtafel für einen Skandal. Sie hieß Gerberge, stammte aus dem Lothringischen und war kaum den Kinderschuhen entwachsen.
    Das junge Mädchen – eine bedingungslose Anhängerin der Base der Königin – ließ es sich einfallen, die Heilerin mit beleidigenden Worten anzugreifen. Nachdem Jungfer Gerberge mit zierlicher Gebärde ihr Glas mit rotem Wein erhoben hatte, zwitscherte sie mit einem gewollt naiven Blick aus großen, unschuldigen Augen und hohem Stimmchen:
    »Ich trinke auf Euer Wohl, Edle von Tannhofen. Ich muss gestehen, ich bewundere Euch für Eure Seelenstärke. Wie schwer muss es Euch doch fallen – noch dazu, weil Ihr keinen Ehemann habt –, Euch ständig in der Nähe desjenigen Herrn aufhalten zu müssen, den Ihr liebt und begehrt, aber niemals werdet haben können.«
    An der Tafel herrschte plötzlich Grabesstille. Griseldis’ Gedanken überschlugen sich. Was wollte die Kleine hier andeuten? Glaubte sie wirklich, sie wegen ihrer Gefühle für Herrn Wolfhart von Liebenzeil verspotten zu können? Woher

Weitere Kostenlose Bücher