Die Heilerin des Kaisers
Bergbau rechts des Rheins florierte. In den fränkischen und schwäbischen Gruben wurden Silber, Eisen und Kupfer gefördert.
Noch reichere Mittel für Hof und Regierung begannen seit der Erschließung der Silbererzgruben auf dem Rammelsberg bei der Stadt Goslar zu fließen. Der König hatte sich im Frühjahr 1013 mit einigen seiner Getreuen auf den Weg dorthin gemacht, um sich selbst von der Effektivität der Erzförderung zu überzeugen. Heinrich unterstützte wie sein Vorbild, Kaiser Otto der Große, die Wirtschaft, indem er neue Märkte schuf.
»Sehr klug von Euch, Herr«, hatte Kanzler Eberhard den König gelobt, als dieser unlängst für eine größere Anzahl von Wallfahrtsmärkten eingetreten war. »Wo viele Leute zusammentreffen, geht es mit dem Handel aufwärts.«
Der Heilerin Griseldis, die den Herrscher auch dieses Mal begleitete, raunte der Bamberger Bischof zu: »Die Verduner Handelsleute verkaufen sogar griechische Eunuchen an die Harems der mohammedanischen Herren. Das wird zwar von unserem frommen Herrscherpaar nicht gerne gesehen, aber man duldet es stillschweigend.«
Das fand Griseldis nun sehr bedenklich. Diese Männer wurden nicht nur versklavt, sondern verstümmelt und ihrer Männlichkeit beraubt. Wie vertrug sich dies mit christlicher Nächstenliebe?
Das hatte sich die Edle von Tannhofen schon des Öfteren gefragt. Nur die wenigsten wussten beispielsweise, dass selbst am päpstlichen Hof diese Nichtmänner als Sänger dienten, deren glockenhelle Knabenstimmen so hervorragend zu den »himmlischen Chören« passten.
»Zum Glück ist uns Deutschen der Herzog Wenzel von Böhmen sehr freundlich gesonnen«, fuhr der Kanzler fort, »denn Prag ist mittlerweile zum größten Handelsplatz aller slawischen Länder geworden. Mohammedaner und Juden führen Sklaven, Zinn und verschiedene Felle aus und kaufen im Gegenzug unser Getreide, unsere Pferde sowie Gold und Silber aus unseren Erzgruben.«
Herr Eberhard war in seinem Element. Nur zu gerne strich er die Vorzüge des Reiches heraus. Stolz fügte er hinzu:
»Im Westen haben wir unsere schöne Stadt Mainz als unseren Haupthandelsplatz. Jeder kennt die Töpferwaren und Tuche der Friesen, die sie den Rhein heraufbringen und dafür elsässische Weine, Getreide und Holz mitnehmen.«
Das klang alles zwar recht gut, aber, wie Griseldis von Vater Berchtold wusste, gab es noch keine gezielte Reichshandelspolitik. Immerhin strebte der König sie jedoch an.
So notwendig der internationale Handel auch sein mochte, er hatte durch das Zinsnehmen und den Wucher der beteiligten Juden etwas Anrüchiges angenommen.
»Wobei es bereits als Wucher gilt, wenn eine Ware über dem Ankaufspreis veräußert wird«, hatte der alte Benediktinermönch vor Kurzem der Heilerin erklärt und dabei sein beinahe kahles Haupt geschüttelt. »Gegen das Zinsnehmen predigen sämtliche Geistliche. Ich weiß nicht, ob man das so streng sehen sollte. Schließlich müssen die Händler doch von ihrer Arbeit leben können.«
Und dann hatte der betagte Mönch wieder in Erinnerungen geschwelgt: Er, Berchtold, habe den damals blutjungen Herzog darauf aufmerksam gemacht, welche Rolle das Salz als Handelsgut spielte.
»Herzogin Judith von Baiern, Eure selige Großmutter, hat im Jahr 973, dem Jahr Eurer Geburt, Herr Heinrich, die Saline Reichenhall vom Kaiser übereignet bekommen, samt allen Zinspflichtigen und Eigenen, mit den Gebäuden samt den nötigen Gerätschaften zur Salzgewinnung und den dazugehörenden Grundstücken.«
Und der Pater hatte seinen jungen Herrn damals darauf hingewiesen, dass Salz ein ungeheuer wertvolles Gut sei:
»Dafür kann man aus dem Orient exotische Gewürze, Seide, Arzneien und den begehrten Purpur eintauschen, Herr«, hatte Berchtold seinen aufmerksamen Schüler belehrt. Wenn es sich darum handelte, profitable Geschäfte zu machen, rannte man seit jeher bei Herrn Heinrich offene Türen ein…
Der König und sein Gefolge hatten die Pfalz in Goslar erreicht. Insgesamt eine Woche hatte Heinrich für die Inspektion der Silbererzgrube auf dem Rammeisberg und für diverse Gerichtsverhandlungen veranschlagt. Natürlich würde Heinrich auch wieder ein offenes Ohr für alle Bittsteller haben, die den Weg zu ihm in die Königspfalz fanden.
Der erste Abend war dem Gebet in der Pfalzkapelle sowie einer Abendmahlzeit in geselliger Runde gewidmet, wobei der königliche Verwalter seinem Herrn alles Wissenswerte aus der Umgebung unterbreiten konnte. Und da gab es
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