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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Becher reichte.
    Sie kniete nun vor Hedwig und umspannte mit ihren Händen den schweren Leib der Schwangeren. Kein Zweifel, das Kind hatte sich bereits gesenkt, die Geburt stand kurz bevor. Griseldis konnte die Gebärende nicht mehr verlassen, um Hilfe zu holen.
    »Es kommt tatsächlich«, stöhnte das junge Weib. »Ich habe noch keine Erfahrung mit dem Kinderkriegen und geglaubt, es wäre noch lange nicht so weit.«
    »So genau kann man das nie sagen«, meinte Griseldis beruhigend. »Bei der ersten Niederkunft lassen sich die Kleinen im Allgemeinen viel Zeit. Aber verlassen kann man sich nicht darauf.«
    Hedwig krümmte sich stöhnend und der Schweiß lief ihr in Strömen über den Körper. In der kleinen Hütte war es viel zu warm, aber Hedwig erlaubte nicht, dass die Heilerin die winzige Luke, die als einzige Fensteröffnung diente, öffnete.
    ›Der alte Aberglaube an die bösen Geister, die Mutter und Kind schaden wollen. Lieber erstickt sie an der verbrauchten Luft.‹ Die Medica war dieses Verhalten schon gewohnt. Auch Damen von Adel waren von dem Unsinn nicht abzubringen.
    Das Stöhnen der Kreißenden steigerte sich auf einmal zu einem regelrechten Urlaut des Schmerzes, der aus dem tiefsten Inneren der jungen Frau hervorbrach. Hedwig reckte das Kinn nach oben und biss die Zähne aufeinander, so dass Griseldis, die inzwischen den Kopf des Kindes ertastete, es regelrecht krachen hörte.
    ›Ich muss ihr etwas geben, worauf sie beißen kann‹, dachte sie, beschämt darüber, dies in der Aufregung vergessen zu haben. Sie ahnte, wie das arme Weib sich fühlen musste: so, als würde es mitten auseinandergerissen. Hedwigs Augen quollen hervor, als diese verzweifelt presste – so wie Griseldis es ihr gesagt hatte.
    Mittlerweile erfolgten die Wehen ohne Pausen nacheinander und Hedwig blieb keine Zeit mehr, sich dazwischen zu erholen.
    Das Kind schien groß zu sein, der Geburtskanal dagegen recht schmal. Die Geburt war eine einzige grausame Quälerei und am liebsten hätte Griseldis jedes Mal, wenn das Geheul Hedwigs einsetzte, mitgeschrieen – einfach so, aus Mitgefühl mit dem gepeinigten Geschöpf.
    »Pressen, du musst stärker pressen, mein Kind«, sagte sie stattdessen.
    »Oh, mein GOTT, ich halte das nicht mehr länger aus.«
    Ganz leise war dies von Hedwig gekommen, die kaum noch die Kraft besaß, am Boden zu knien mit gespreizten Schenkeln. Griseldis umfing sie daher mit ihren Armen und wiegte sie wie ein kleines Kind. Allmählich kroch Panik in ihr hoch.
    ›Weshalb nur haben diese Barbaren keinen Gebärstuhl? Alles wäre um ein Vielfaches leichter. Das Mädchen könnte sich mit Händen und Füßen abstützen und dadurch Kräfte sparen, die sie dringend zum Pressen braucht. Und ich müsste sie nicht ständig festhalten, sondern wäre in der Lage, meine Hände zu Nützlicherem einzusetzen.‹
    Die nächste Wehe überspülte Hedwig wie eine riesige Meereswoge, aber das Kind wehrte sich dagegen, geboren zu werden.
    ›Es erwartet sich nichts Gutes vom Leben‹, dachte Griseldis nüchtern bei sich. ›Die Mutter ein armes Ding und die Hure eines Verbrechers und der Vater als Mörder und vogelfreier Strauchdieb enthauptet…‹
     
     

KAPITEL 68
     
    »D U BIST JETZT weit offen, Hedwig, und dein Kind kann geboren werden. Bei der nächsten Wehe werde ich versuchen, sein Köpfchen festzuhalten und bei der übernächsten werde ich den ganzen Körper herausziehen«, kündigte Griseldis an, bemüht, ihr eigenes Unbehagen nicht laut werden zu lassen.
    Sie hatte bereits so vielen Säuglingen auf die Welt geholfen, aber noch nie war sie ganz allein mit der Kreißenden gewesen. In der Regel versammelte sich bei einer Geburt eine Schar von Frauen im Gebärzimmer, um der Wehmutter zur Hand zu gehen.
    Griseldis musste an Frau Hiltrude und deren Niederkunft im Kreise ihrer zahlreichen Freundinnen denken, die der Gutsherrin in ihrer schweren Stunde beigestanden hatten. Der König selbst hatte damals versprochen, der Pate ihres Söhnchens zu sein. Im Geiste sah sie, wie sich das braun gelockte Haupt des Königs über den Neugeborenen beugte, und hörte sein jungenhaftes Lachen…
    Energisch wischte sie diese Erinnerung beiseite.
    Die nächste Wehe kam mit Macht und das junge Weib schrie zum Gotterbarmen. Griseldis war versucht, sich die Ohren zuzuhalten. Die Luft im Raum war mittlerweile zum Ersticken und das Wasser lief ihr in die Augen, so dass die Heilerin für einen Augenblick blind war. Ihre Finger ertasteten den

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