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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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gewohnt. Zu Froweins Betrübnis war sein Weib Dietlinde auch in jungen Jahren noch stark dem Heidenglauben verbunden gewesen, was sich dadurch ausdrückte, dass sie ihren Kindern häufiger von Wotan und Freija, Frigga und Baldur erzählt hatte als von JESUS, Maria und den Heiligen…
    Mühsam formulierte Griseldis ihre Gebete zum HERRN, aber vor allem zur Jungfrau Maria. Mit einer Frau redete es sich leichter, fand sie.
    »Ich bin jetzt gut dreiunddreißig Jahre alt, war schon einmal verheiratet und werde wohl nie ein eigenes Kind haben«, flüsterte sie der Statue der Gottesmutter auf dem Altar zu. »Maria, du Gebenedeite des HERRN, du durftest zwar die Freuden der Mutterschaft erleben, aber dafür hat man dir später deinen Sohn grausam entrissen. Du kannst mich also verstehen, du Gnadenreiche.
    Ich bitte dich nun nur um eines: Verwende dich bei deinem göttlichen Sohn dafür, dass mein unschuldiges, viel zu früh geborenes Kind nicht im Fegefeuer schmachten muss, sondern bei dir im Himmel sein darf, obwohl es ungetauft war.«
    Verzweifelt hatte sie ihren Blick auf die hölzerne Figur gerichtet, die ihr Kind auf dem Arm trug und starr lächelnd auf Griseldis herniederschaute. Durch nichts gab sie zu erkennen, ob sie ihre flehentliche Bitte überhaupt gehört hatte.
     
    Nach einem sehr herzlichen Abschied von den freundlichen Nonnen trat Griseldis unter Schutz und Geleit eines Kölner Kaufmanns mit Namen Ansgar Marenholt die Heimreise an. Seine Fracht, gut verpackt und wohl verstaut auf zahlreichen Maultierrücken, bestand in der Hauptsache aus feinen Stoffen, Duftwässern, Olivenöl, Gewürzen und Weinen. Alles Waren, die er im Orient gegen Salz, Bernstein und seltene Hölzer eingetauscht hatte.
    Herr Ansgar, ein korpulenter Mann Mitte fünfzig, reiste mit seinem jüngsten Sohn Norbert sowie einer Schar von vertrauenswürdigen, aufs Beste bewaffneten Knechten.
    Der Kaufmann und noch mehr sein Sohn genossen die Gesellschaft der schönen Dame, die überdies den Vorteil aufwies, eine Heilkundige zu sein. Es war erstaunlich, von wie vielen Maläsen die Begleitmannschaft des Kölner Handelsmannes auf einmal geplagt wurde. Alle Männer wollten unverzüglich die Aufmerksamkeit und Fürsorge der zauberhaften Mitreisenden in Anspruch nehmen…
    Inzwischen war Januar des Jahres 1014; es war zwar eisig kalt, aber sonnig und trocken und die Handelsgruppe kam gut voran. Die Reise verlief äußerst friedlich. Bei jeder Rast pflegten sich Herr Ansgar und die Heilerin »über Gott und die Welt« zu unterhalten, darunter auch über die bevorstehende Kaiserkrönung Herrn Heinrichs, wobei Norbert, ein hübscher Jüngling von siebzehn Jahren, mit leuchtenden Augen dabeisaß und die aparte, fremde Dame mit verliebten Blicken bedachte.
    Kurz vor Brixen trafen sie auf eine Handelskarawane, die in umgekehrter Richtung, nämlich gen Süden zog. Von ihrem Anführer, einem wohlhabenden Mainzer Kaufmann, der zuerst nach Mailand, dann nach Venedig und schließlich bis Konstantinopel reisen wollte, erfuhren sie die neueste Kunde aus dem Reich.
    Sie betraf den König und seine Gemahlin und bewirkte, dass Griseldis zuriefst geschockt war.
    Böse Zungen hatten die Mär verbreitet, die Königin habe in der Abwesenheit ihres Gemahls einen Liebhaber in ihrem Schlafgemach empfangen. Den angeblichen Ehebrecher hatten die üblen Nachredner sogar genau beschrieben. Ein schöner, braunlockiger Jüngling sollte angeblich Frau Kunigunde etliche Nächte hintereinander die Zeit des Alleinseins versüßt haben.
    Eilfertig hatte man Herrn Heinrich, der sich zu dieser Zeit in einer anderen Stadt aufhielt, davon in Kenntnis gesetzt. Zuerst hatte der König es nicht glauben wollen. Dann allmählich wirkte das Gift, das gewisse Personen, denen die Eintracht des Herrscherpaares längst ein Dorn im Auge war, in sein Ohr geträufelt hatten.
    Dummerweise hatte man sich bei der vermeintlichen Verfehlung im Datum geirrt, so dass der König nicht auf den nahe liegenden Gedanken kam, er selbst könnte derjenige gewesen sein, der Frau Kunigundes Schlafgemach aufgesucht hatte. Nun war ausgerechnet er es, der ihren guten Ruf schädigte.
    Wie üblich hatte Heinrich vor seinem Aufbruch nach Goslar mehrere Nächte hintereinander von seinen Rechten als Ehemann Gebrauch gemacht – ohne sich um sein Gelöbnis zu scheren, das Lager seiner Gemahlin auf Dauer zu meiden. Ebenfalls wie immer hatte er am nächsten Morgen seinem Beichtvater, Pater Gereon, die Verfehlung gestanden und

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