Die Heilerin des Kaisers
entziehen.
Griseldis entschloss sich an diesem Abend, auf andere Art und Weise mit Radegund abzurechnen. Sie sagte der Magd auf den Kopf zu, eine Heidin zu sein und ihre Herrin kürzlich an die Feinde des Königs verraten zu haben.
»Wer außer dir, Radegund, wusste denn von meinem geplanten Ritt zu der Edelfrau im Steigerwald? Auch alle Angaben über meine verstorbene Mutter konnten nur von dir stammen, Mädchen, weil ich sie dir anvertraut hatte. Ich bin sehr enttäuscht von dir. Wie konntest du dich mit Menschen gemeinmachen, die den König zu ermorden trachteten? Und komm mir nicht damit, ich hätte alles bloß in meiner Ohnmacht geträumt«, sagte die Heilerin scharf und hielt der Magd dabei den kleinen Alabasterbecher unter die Augen. »Dieses Gefäß ist der Beweis dafür, dass ich mittels einer Droge dazu gebracht werden sollte zu vergessen, was in der Höhle geschehen war, und vor allem, welche Worte gesprochen worden sind. Du hast mein Vertrauen schändlich missbraucht, Radegund.« Die Magd sah zu Boden und schwieg betreten.
»Allerdings will ich zu deinen Gunsten annehmen, dass du von diesen Götzendienern verführt worden bist und nicht mehr wusstest, was Recht und Unrecht ist. Bis morgen früh gebe ich dir Zeit zu fliehen. Wenn du aber bis Sonnenaufgang noch hier sein solltest, werde ich dich den königlichen Schergen übergeben.«
Radegund verschwand spurlos und niemand sollte je wieder von ihr hören.
KAPITEL 73
G RISELDIS BEREITETE SICH auf die lange Reise nach Italien gut vor. Vater Berchtold half ihr dabei, soweit es ihm möglich war. Zum Glück hatte er bereits vorgesorgt, indem er den Ziehsohn der Heilerin, ihren Neffen Gunther, in weiser Voraussicht an der Domschule zu Hildesheim untergebracht hatte.
Der Eintritt war auf dessen eigenen Wunsch hin erfolgt – der junge Bursche fühlte sich, zur besonderen Genugtuung des Königs, sehr zu Kirche und Glauben hingezogen. Griseldis sah die positive Entwicklung des aufgeweckten Knaben mit Freude und Erleichterung, wenngleich sie seinen Abschied von Bamberg bedauerte. Gunther, Gertruds Sohn, war ihr bereits sehr ans Herz gewachsen.
Das Kind hatte wie erhofft Fröhlichkeit in ihr allzu ruhiges Dasein gebracht. Mit Bedauern hatte die einsame Frau festgestellt, dass sie die plötzliche Stille nun doppelt schwer ertrug, denn auch Hedwig und die kleine Ruothild lebten nicht mit ihr unter einem Dach.
Griseldis’ Dienst als Hofdame der Königin und Medica von Herrn Heinrich ließ nicht zu, dass sie sich allzu viel um die junge Familie hatte kümmern können. Gleich zu Anfang hatte daher Vater Odo die Witwe eines Goldschmieds aufgetan, die für eine ordentliche Summe Geld bereit war, Mutter und Tochter bei sich aufzunehmen und zu versorgen – wovon die Heilerin sich regelmäßig überzeugte.
Griseldis hatte sich bereits vom Herrscherpaar und von den anderen Hofdamen verabschiedet; der Aufbruch rückte unaufhaltsam näher. Seit die Base der Königin meist ihr Bett hüten musste und in ihrer Kammer vor sich hinbrütete, getrauten sich auf einmal die Frauen, der Heilerin des Königs ihre Zuneigung zu bezeugen. Niemand außer der Königin schien Frau Irmintraut zu vermissen…
Jetzt stand Vater Berchtold vor ihr und Griseldis wurde das Herz schwer. Der alte Mönch war seit Jahren wie ein Vater zu ihr gewesen und sie würde ihn schmerzlich vermissen.
»GOTT, der HERR, segne dich, meine Tochter. Im Frühjahr sehen wir uns wieder, in Rom bei der Krönung Herrn Heinrichs zum Kaiser«, hatte er leise gesagt, das Kreuzzeichen über ihrem Scheitel gemacht und mühsam die Tränen zurückgehalten.
Die Reise ging gut vonstatten. Das Spätherbstwetter war warm und mild und vor Angriffen wusste sich Griseldis wohl behütet. Die Schar der Edelleute und ihrer Knappen und Vasallen sorgte dafür, dass kein Übeltäter es wagte, ihr zu nahezutreten. Auch die Überquerung der Alpen bereitete keinerlei Schwierigkeiten – vom Gegenkönig Arduin war weit und breit nichts zu sehen.
Dem Vernehmen nach sollte er sich in ein Kloster zurückgezogen haben, da ihm seine Anhänger nach und nach abhanden gekommen waren.
Ohne weitere Vorkommnisse überwand man den Brennerpass. Griseldis, die eine ausdauernde Reiterin war, erntete viel Lob. Manche von den Herren hatten zweifelnde Mienen aufgesetzt, als sie erfahren hatten, wen sie begleiten sollten. Selbst die Magd Jakobäa, die die Heilerin an Radegunds Stelle als ihre persönliche Dienerin ausgewählt
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