Die Heilerin des Kaisers
hatte, saß wie ein Krieger zu Pferde und machte ihrer Herrin keine Schande.
Und immer noch hielt das herrliche Spätherbstwetter an. In der klaren Luft stachen die Felsen wie mit scharfen Messern zurechtgeschnitten aus dem blauen Himmel, die grünen Almen und die rotbraunen Nadeln der Lärchenbäume bildeten den heiteren Kontrast. Sogar die Sonne vermochte um die Mittagszeit noch ein wenig zu wärmen.
In Brixen und Trento fühlte sich Griseldis noch in sehr guter Verfassung. In Rovereto überfiel sie allerdings ein leichtes Unwohlsein, welches sich im Verlaufe des Ritts entlang des Gardasees verstärkte.
Da Griseldis kein Aufsehen erregen wollte – keinesfalls sollte ihretwegen die Gruppe auch nur einen Tag länger von ihrer wichtigen Aufgabe in Rom abgehalten werden –, sagte sie nichts von ihren Schwierigkeiten. Sie hatte Magenschmerzen, und Fieber und Schwindelgefühle erfassten sie, so oft sie den Kopf bewegte.
›In Monte Cassino, wohin einige Edelknechte mich von Rom aus hinbegleiten werden, werde ich genug Zeit haben, die kleine Unpässlichkeit auszukurieren‹, dachte die Heilerin. Sie zwang sich, die Zähne zusammenzubeißen, wehrte sämtliche ängstlichen Fragen ihrer Dienstmagd ab und gab ihrer Stute leicht die Sporen.
In Sant’ Ambrogio, kurz vor Verona, war ihre Reise zu Ende. Nach einer kurzen Rast konnte sie nicht mehr aufsitzen, da sie in Ohnmacht gefallen war.
Alle waren entsetzt über ihr schlechtes Aussehen, Jakobäa brach gar in Tränen aus.
»Schon seit einiger Zeit geht es meiner Herrin schlecht, aber sie hat mir verboten, darüber zu sprechen«, schluchzte das junge Ding, das glaubte, Griseldis wäre bereits gestorben.
Da erwachte die Heilerin und alle atmeten erleichtert auf. Ehe die Herren, welche sich ihrer Verantwortung für die Medica des Königs sehr wohl bewusst waren, anfangen konnten, sich zu beratschlagen, ergriff sie die Initiative.
»Ich bitte Euch, lasst mich und meine Magd in dem am Wege liegenden Kloster zurück. Dort wird man mich gewiss versorgen. Und wenn ich wieder reisefähig bin, was in einigen Tagen der Fall sein wird, werden mich die Klosterknechte begleiten oder ich schließe mich einer vorbeiziehenden Kaufmannsgruppe an. Ich schätze, dass wir Euch lange vor Rom wieder einholen werden.«
Sie hatte sehr bestimmt gesprochen und ihr Vorschlag klang so vernünftig, dass die Herren sich ihrem Argument nicht verschlossen, sondern sie und ihre Begleiterin Jakobäa zu den Nonnen ins Kloster von Sant’ Ambrogio brachten und sie dort in der Obhut der frommen Frauen zurückließen.
Der Zustand der Heilerin wurde jedoch nicht besser, sondern verschlimmerte sich noch. Letztlich war er sogar lebensbedrohend. Kaum befanden sie sich unter dem Dach der Abtei, erkrankte auch Jakobäa. Beide Frauen litten an krampfartigen Leibschmerzen, Übelkeit, rasendem Kopfweh und hohem Fieber. Auch die Magd wurde schließlich bewusstlos – ein Zustand, aus dem das Mädchen nicht mehr erwachte. Jakobäa starb drei Tage später…
Die hilflosen Nonnen bemühten sich Tag und Nacht unablässig um das Leben der deutschen Edelfrau und ganz langsam wurde erkennbar, dass sie möglicherweise doch eine Chance haben könnte, diese seltsame Krankheit zu überstehen. Niemand konnte sich erklären, wo die zwei Frauen sich angesteckt hatten, denn es wurde nirgends von einem ähnlichen Vorfall berichtet.
Hatte man sie vergiftet? Aber wer hätte das tun sollen? Griseldis besaß keine Feinde mehr, seitdem Frau Irmintraut einen Tag vor der Abreise der Heilerin unerwartet gestorben war…
Es gab immer wieder Rückschläge im Befinden Griseldis’, aber im Großen und Ganzen konnte ihr die Mutter Oberin Hoffnung machen, dass sie weiterleben würde. Der Tod Jakobäas schmerzte sie sehr; in der kurzen Zeit hatte sie das offene und immer gut gelaunte Mädchen sehr lieb gewonnen.
Es dauerte viele Wochen, ehe Griseldis wieder ganz auf den Beinen war. Weihnachten war lange vorüber und sie dachte an Herrn Rüdiger, der dieses Fest so gerne mit ihr gefeiert hätte. Ob er wohl noch einen Gedanken an sie verschwendete? Männer konnten sehr wankelmütig sein – Herr Wolfhart hatte dies bewiesen.
Seine Liebelei mit Frau Irmintraut war zwar nicht von langer Dauer gewesen. Aber Griseldis hatte sich zu verletzt gefühlt, um seiner erneuten Werbung nachzugeben – obwohl Herr Wolfhart sehr reumütig zu ihr hatte zurückkehren wollen…
Aber sie wollte nicht ungerecht sein: Auch auf Frauen war nicht immer
Weitere Kostenlose Bücher