Die Heilerin des Kaisers
die Situation offenbar völlig missverstand, verwunderte sich sehr. Bisher hatte Heinrich noch niemals nach einer anderen Frau verlangt als nach seiner eigenen…
Nun, diese da war zweifelsohne ein schönes Kind, jung und unverdorben, wenngleich ein wenig arg schlicht und weltfremd, wie ihm schien. Womöglich hatte seinen Herrn, jetzt, da er die Bürde des Königtums trug, der Wunsch nach weiblicher Abwechslung gepackt. Ihn, den kleinen Bediensteten, ging es ja nichts an… Das Mädchen unterbrach seine Gedanken.
»Aber nun, wo Heinrich König ist, will er mich bestimmt nicht mehr haben«, hörte er die leise Stimme und sah, wie es sich ein paar Tränen aus dem Gesicht wischte.
»Aber, warum denn nicht? Glaubst du, ein König hat andere Bedürfnisse wie ein Herzog? Er ist doch der gleiche Mann geblieben! Warte hier auf mich, ich schaue, was ich für dich tun kann, mein Kind.«
Und damit ließ der Diener sie stehen, mitten im Getümmel des Regensburger Residenzhofes.
Bereits nach kürzester Zeit jedoch landete sie zu ihrer großen Erleichterung bei dem liebenswürdigen, älteren Benediktinermönch, den ihr eine etwas hochnäsig wirkende Dienerin als »hochwürdigen Vater Berchtold, Kanzlist und Berater des Königs« vorstellte.
»Euch kenne ich doch!«, sagte Griseldis und lachte befreit auf. »Schon dreimal habe ich Euch gesehen, Ehrwürdiger Vater. Ihr habt mir schon einiges über Herrn Heinrich und Frau Kunigunde erzählt.«
»Ich kenne dich auch, Heilerin. Aber mein alter Kopf erinnert sich nur an eine zweimalige Begegnung mit dir, liebes Kind«, lächelte der Mönch.
»Das dritte Mal war, als Ihr in der Halle des Gerichts die Anklage und das Urteil gegen den Freiherrn von Hohenstein verlesen habt, Vater.«
»Ah! Das Urteil hat mich sehr zufrieden gemacht und Frau Kunigunde, unsere Königin, ebenso«, freute sich der Benediktiner. »Du bist Griseldis, nicht wahr? Ich entsinne mich gut deiner Kunstfertigkeit in Bezug auf Beseitigung von Steinkoliken«, meinte er dann und betrachtete sie wohlwollend. »Ich habe nie daran gezweifelt, dass du dem Ruf Herrn Heinrichs folgen würdest. Komm nur, meine Tochter.«
Vater Berchtold führte Griseldis durch ellenlange Korridore und über finstere Treppen der Residenz – längst hatte sie die Orientierung in dem großen, düsteren und äußerst verschachtelten Bau verloren. Vertrauensvoll folgte sie dem alten Mann, bis sie schließlich vor einer schmalen Türe anhielten.
»Hier wird dein Reich sein, mein liebes Kind. Zumindest für die paar Tage, bis wir alle nach Bamberg umziehen. Einen guten Rat will ich dir noch geben«, sagte Vater Berchtold, als er die Tür öffnete und sie das kleine, ziemlich finstere Gelass betraten.
»Lass dir nichts von den anderen Dienstboten gefallen – keiner von denen ist mehr wert als du. Schaue dir die Menschen gut an, ehe du dich mit ihnen anfreundest. Es gibt genug Speichellecker und falsche Freunde am Hof, die dich nur benutzen wollen, um sich durch dich die Gunst des Herrschers und seiner Gemahlin zu erschleichen.«
Griseldis dankte dem graubärtigen Mann in der schwarzen Kutte, der sie milde mit seinen durchdringenden, hellblauen Augen im altersfleckigen Gesicht anlächelte.
»Gehst du heute auch auf das Fest?«, fragte er dann das junge Mädchen.
»Oh, ja, Vater! Darauf freue ich mich schon sehr.«
»Gut, aber sei bei Einbruch der Dunkelheit wieder zurück in der Residenz. Unser König Heinrich wird mit Frau Kunigunde übrigens auch auf den Domplatz gehen. Herr Heinrich Hebt Volksfeste über alles und lässt sich dieses Vergnügen niemals entgehen. Nun, GOTT befohlen, mein Kind.«
Mit diesen Worten war der Mönch gegangen.
Griseldis sah sich in ihrem winzigen, aber blitzsauberen Kämmerchen um. Es lag im Untergeschoss des imposanten Baues und sie konnte durch den kleinen Lichtschacht, den ein Eisengitter abdeckte, auf den gepflasterten Hof hinausschauen.
Eigentlich sah sie nur die Beine von Fußgängern und Pferden sowie Wagenräder oder kleine Hunde, die frei umherliefen. Am meisten verwunderte sie sich über den Lärm, der hier herrschte. Sie war nun schon öfters in der Residenzstadt gewesen, aber noch nie war ihr der permanent hohe Geräuschpegel so sehr bewusst geworden. Aber es gefiel ihr.
›Ich mag es, wenn es lebhaft bei den Leuten zugeht‹, dachte sie. Im Nu hatte sie ihre Sachen in eine hölzerne Truhe gelegt; an Kleidung besaß sie ja nicht sehr viel und ihre Verbände, Salben, Kräutersträußchen und
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