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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Der arme Dietwulf konnte doch nichts dafür, dass er durch seine Vernarrtheit in die begehrenswerte Rottraut ein wenig feige geworden war…
    ›Ich werde mir einen Dolch zulegen‹, nahm sie sich vor, ›dann bin ich stets gegen Übergriffe gefeit. Leider habe ich jetzt in der Stadt keinen männlichen Beschützer mehr.‹
    Ja, das würde sie tun, wenn auch nur zur Abschreckung. Griseldis wusste genau, dass sie niemals im Stande wäre, diese Waffe tatsächlich gegen einen Menschen zu gebrauchen – und sei es auch nur, um sich zu verteidigen.
    Die Menge war jetzt dichter geworden. Beinahe willenlos wurde die junge Frau in der Masse der Volksfestbesucher vorwärts geschoben. Sie hörte Lachen, Kreischen und Geschrei, weinende Kinder, schimpfende Erwachsene und um Almosen bettelnde Krüppel; dazwischen die heiseren Stimmen von Betrunkenen und spöttisches Gelächter, wenn einer der Torkelnden über seine eigenen Füße gestolpert und der Länge nach hingefallen war.
    Sie wurde Zeugin, wie ein geschickter Taschendieb einen arglosen Festbesucher um seine Geldkatze erleichterte und blitzschnell im Gewühl der Menschen verschwand. Ängstlich umklammerte Griseldis daraufhin die Börse, die an ihrem Gürtel baumelte: Keinesfalls wollte sie ihr mühsam Erspartes einem dieser Taugenichtse überlassen.
    Da ihr Blick nun geschärft war, entging ihr jetzt nicht mehr, wie viele käufliche Mädchen und Frauen sich unter den fröhlich gestimmten Marktbesuchern befanden. Der Galan im blauen Wams hatte bestimmt längst ein schönes Weib gefunden, das bereitwillig sein Geschenk aus Bernstein entgegengenommen hatte…
    ›Anscheinend sind sie extra zum Fest hierher nach Regensburg gekommen, weil sie sich ein gutes Geschäft versprechen‹, dachte Griseldis und betrachtete neugierig die geschminkten Gesichter und auffälligen Kleider der Huren aller Altersklassen.
    In der Tat waren die farbenfroh, meistens in leuchtendem Gelb, angezogenen und grell bemalten Weiber mit weiten Gewandausschnitten an Hals und Ärmeln nicht zu übersehen und ihres auffälligen Gelächters wegen auch nicht zu überhören. Manche von ihnen waren noch blutjung und sogar mit Schmuck behängt. Griseldis taten sie trotzdem leid.
    ›Mich mit jedem Kerl, der dafür bezahlt, in die Büsche der Donauauen zurückziehen zu müssen – nein, das wäre nichts für mich.‹
    Obwohl sie selbst noch Jungfrau war, wusste sie durch ihr Leben auf einem bäuerlichen Anwesen sowie durch ihre Tätigkeit als Heilerin und Hebamme, was sich zwischen den Geschlechtern in aller Regel abspielte, wenn sie Liebe machten.
    Lebten diese Weiber in einem Hurenhaus, hatten sie ihrem Frauenwirt einen Anteil ihres sauer verdienten Geldes abzuliefern. Zudem waren sie abhängig und konnten, solange sie jung und ansehnlich waren, kaum jemals aus dessen »Obhut« entkommen. Es geschah höchst selten, dass ein freier Mann eine dieser »Hübschlerinnen«, wie sie genannt wurden, auslöste und zu seiner Frau machte.
    Das hatte ihr Dietwulf einst anvertraut, als sie ihn danach gefragt hatte.
    ›Woher er wohl sein Wissen hatte?‹, überlegte sie nun, bis ihr einfiel, dass der Bruder seit seinem achtzehnten Lebensjahr regelmäßig einmal im Monat nach Regensburg geritten war…
     
     

KAPITEL 14
     
    A UF EINMAL BEMERKTE Griseldis, dass die Menge sie nicht mehr ziellos durch die Budenstadt bugsierte, sondern dass der Strom der Festteilnehmer ein ganz bestimmtes Ziel ansteuerte. Und da sah sie es auch schon.
    In einem massiven Eisenkäfig war ein junger Mann eingesperrt, den vier andere Gestalten mit Gewalt festhielten und trotz heftiger Gegenwehr bis auf die Haut auszogen. Die Menge johlte, als auch das letzte Kleidungsstück zu Boden fiel.
    Griseldis war unangenehm berührt von der Brutalität der vier Kerle; sie empfand Mitleid beim Anblick des nackten Mannes, der vergeblich versuchte, seine Blöße mit den Händen zu bedecken. Todesangst stand ihm ins Gesicht geschrieben, aber das umstehende Volk amüsierte sich nur darüber.
    »Macht voran! Warum dauert das so lang?«, hörte die junge Frau eine männliche Stimme plärren und die Menge gab Laute des Unwillens von sich.
    »Was geschieht denn hier mit dem Ärmsten?«, fragte Griseldis ihren Nachbarn, der sie mit großen Augen ansah, als wäre sie nicht recht gescheit.
    »So arm ist der gar nicht, Jungfer«, sagte dieser verärgert. Griseldis fielen die abschätzigen Blicke auf, die sich plötzlich um sie herum auf sie richteten, und es wurde ihr ein

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