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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Mädchen und die Jungen, fünf armselige, kleine Schmutzfinken, kauten andächtig.
    Nachdem alles verzehrt war, sagte das älteste Kind zu der edlen Spenderin: »Vielen Dank, Jungfer.« Dabei knickste das Mädchen höflich.
    Griseldis wurde rot. Mit »Jungfer« war sie bisher nur sehr selten tituliert worden. Aber sie gab zu, dass die Anrede ihr schmeichelte.
    Langsam schlenderte sie weiter, ehe sie bei einem Karussell stehen blieb, das ein ständig im Kreis trottender Esel antrieb.
    Daneben hatte sich ein Feuerschlucker aufgestellt, der die Zuschauer damit verblüffte, dass er eine brennende Fackel in seinen Mund steckte und sich offenbar nicht den Schlund versengte. Unglaublich war das!
    ›Aber ich sehe es doch mit eigenen Augen‹, dachte Griseldis. ›Es ist nicht zu fassen, was manche Leute alles können.‹
    Zwischen all den Schaulustigen liefen immer wieder junge Burschen auf den Händen herum. Ein anderer hatte ein hellbraunes Äffchen auf seiner Schulter sitzen, das bettelnd seine Händchen ausstreckte, welche wie die eines kleinen Menschenkindes geformt waren. Das Tierchen hatte der Mann angeblich aus dem Süden der Iberischen Halbinsel mitgebracht.
    Griseldis kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Luft war geschwängert vom Duft fetter, gebratener Würste, gerösteter, süßer Mandeln, von Lebzelten und Bratäpfeln; und auch ihre Ohren kamen nicht zu kurz: Laut schallte Musik über den Platz. Mehrere Gruppen von fahrenden Musikanten und Sängern gaben ihre Kunst zum Besten, ohne Rücksicht darauf, ob die verschiedenen Gesangs-und Musikstücke zueinander passten.
    ›Im Grunde klingt es nach Katzenmusik‹, dachte Griseldis vergnügt und überlegte, ob sie der Einladung eines Weibes folgen sollte, das mit einem bunten Rock und einem geblümten Umschlagtuch gekleidet war. Sie erzählte ihr etwas von Schmuckstücken aus Bernstein, die sie in einem der Zelte betrachten könnte.
    Die Heilerin war neugierig geworden. Von Bernstein, der am Strand der Ostsee, einem Meer hoch droben im wilden Norden, gefunden wurde, hatte Griseldis von Herrn Moritz schon gehört. Aufgeregt lief sie der fremdartigen Frau, die einen schwer verständlichen Dialekt gesprochen hatte, hinterher.
    Zum ersten Mal sah sie Armbänder und Ketten aus diesem Material, das in seiner Färbung an Honig erinnerte, aber aus seit Jahrtausenden gehärtetem Baumharz bestehen sollte, etwas, das das Weib ihr mühsam zu erklären versuchte. Ehrfürchtig nahm sie eine Kette aus dicken Bernsteinkugeln in die Hand. In einem der Glieder sah sie etwas Schwarzes, das sich bei genauerem Hinsehen als Ameise erwies, die vor langer, langer Zeit in einem Tropfen herabfließenden Harzes eingeschlossen worden war.
    Wie gerne hätte sie von diesem wunderbaren Schmuck etwas besessen. Aber sogar das kleinste Bernsteinkügelchen würde ein viel zu großes Loch in ihre Barschaft reißen.
    Mit einem bedauernden Kopfschütteln legte Griseldis die Kette wieder zurück. Als sie zum Zeltausgang gehen wollte, griff ihr jemand fordernd an die Schulter. Erschrocken fuhr sie herum. Ein in ein blaues Wams gekleideter Herr mit einem schwarzen Federhut stand vor ihr und grinste ihr lüstern ins Gesicht.
    »Na, schöne Maid, wie ist es?«, fragte er und legte ihr dabei seinen Arm vertraulich um die Hüfte. »Würdet Ihr mir Eure Gunst schenken, wenn ich mich erweichen ließe und Euch eines dieser bezaubernden Schmuckstücke schenkte?«
    »Was soll das? Lasst mich sofort los, Herr! Allein schon die Frage ist eine Beleidigung, geschweige Euer zudringliches Benehmen.«
    Mit einem energischen Ruck befreite sich Griseldis aus der Umklammerung und strebte der Öffnung im Zeltvorhang zu.
    »Dann eben nicht, Kleine«, rief ihr der Herr verstimmt hinterher. »Es gibt genügend andere, die kein solches Getue machen. Oder willst du nur deinen Preis hochtreiben?«
    Als Griseldis etliche Schritte vom Zelt entfernt war, drehte sie sich vorsichtig um, aber der abgeblitzte Freier war ihr zum Glück nicht gefolgt. Dennoch hatte sich der bisher so strahlend schöne Tag für die junge Frau empfindlich verdunkelt.
    ›Hat der Kerl mich etwa für eine käufliche Bettmagd gehalten?‹, ging es ihr durch den Kopf. Dieser Gedanke verstörte sie sehr. Überdies lebte ihr Ärger über Dietwulf wieder auf: Wäre der Bruder noch bei ihr geblieben und hätte sie auf das Volksfest begleitet, wäre ihr dieses unangenehme Erlebnis erspart geblieben.
    Gleich darauf schalt sie sich ein selbstsüchtiges Geschöpf.

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