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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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eingebildet und zänkisch Rottraut ist. So gesehen, hat unsere Mutter es möglicherweise besser, wenn sie nicht dauernd mit dieser unguten Schwiegertochter zusammen ist.«
    Griseldis war wütend.
    »Wie redest du denn von meiner Frau?«, fuhr Dietwulf ärgerlich auf. »Sie ist schön und klug und hat eben ihren eigenen Kopf. Mir jedenfalls gefällt das. Die Leute, die schlecht über sie reden, sind ja nur neidisch. Viele junge Männer haben um Rottraut geworben, aber sie hat von keinem etwas wissen wollen – bis ich um sie gefreit habe.«
    Dadurch wie Dietwulf sich in die Brust warf, erkannte Griseldis, wie blind er in seine Angetraute verliebt war. Sie beschloss, ihren Mund zu halten.
    Niemand würde sie mehr auf dem Hof zurückhalten, sie konnte nun ohne schlechtes Gewissen nach Regensburg zum Herzog gehen.
    ›Wer weiß, vielleicht ist auch etwas Gutes dabei‹, dachte sie dann. ›Vater kann Dietlinde, wenn er mit ihr allein lebt, besser im Auge behalten und dafür sorgen, dass niemand von den Leuten im Dorf von ihren merkwürdigen Angewohnheiten erfährt. Ich werde ihn bitten, dass er nachts die Tür verriegelt, damit die Mutter nicht mehr ihre nächtlichen heidnischen Zeremonien abhalten kann.‹
    Der endgültige Abschied von ihrem Geburts-und Heimatort Tannhofen sowie den zahlreichen Patienten würde ihr dennoch nicht gerade leichtfallen und um Gertrud war ihr regelrecht bang.
    Wie würde ihre kleine Schwester mit der hochfahrenden Schwägerin zurechtkommen? Auch dass sie Frowein nur noch äußerst selten sehen würde, bereitete ihr Kummer. Den Vater, der so sanftmütig und gerecht handelte und früher so lebenslustig war, würde sie schmerzlich vermissen.
    ›Ich werde ihm immer dankbar dafür sein, dass er jeden Freier, der um mich geworben und der mir nicht gefallen hat, unverrichteter Dinge wieder weggeschickt hat. Kaum ein Vater hätte so verständnisvoll gehandelt.‹
    ›Die Mutter wird wohl als Erste von uns gehen‹, dachte sie dann wehmütig. Es war bitter, sich das vorzustellen: Dietlinde war erst einundvierzig Winter alt und wirkte bereits wie eine Greisin.
    ›Sie sieht beinahe aus wie Muhme Bertrada, als diese starb‹, überlegte Griseldis. ›Nur mit dem Unterschied, dass die über Neunzigjährige ihren glasklaren Verstand bis zuletzt bewahrt hat.‹
    Dietlindes Verwirrung wurde täglich schlimmer. Sie vernachlässigte ihre Körperpflege und kümmerte sich nicht mehr um ihre Kleidung. Morgens vergaß sie, sich zu kämmen und ihr grau gewordenes Haar zu ordentlichen Zöpfen zu flechten; in wirren Strähnen hing es ihr ins faltige Gesicht. Der stumpfe Blick machte nicht nur Griseldis das Herz schwer.
    Eines Nachts gelang es der Mutter, das Nebenhaus zu verlassen und die Hühner und Enten aus Rottrauts Stall herauszulassen. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit trieb sie zielsicher das Federvieh in den Küchengarten, wo dieses allerhand Schaden anrichtete.
    Die junge Bäuerin heulte, ja tobte am nächsten Morgen regelrecht, als sie das ganze Ausmaß der Verwüstung überblickte. Zwischen Dietwulf und Frowein entspann sich ein böser Streit, der laut und, von Dietwulfs Seite, äußerst unnachgiebig ausgetragen wurde.
    Vater und Sohn machten ihrem aufgestauten Zorn und ihrer tiefen Enttäuschung Luft. Ohne Griseldis’ beherztes Dazwischentreten wären beide Männer vermutlich noch handgemein geworden. So etwas hatte es noch nie auf dem Hof gegeben, solange sich Griseldis zurückzuerinnern vermochte.
     
     

KAPITEL 11
     
    E INE H UNGERSNOT DROHTE in weiten Teilen Deutschlands und Baierns. Die Ernte verfaulte in diesem Sommer 1002, der viel zu nass und kalt gewesen war. So würden die Scheunen leer bleiben und im Winter käme es vermutlich zu einem Massensterben. Den ärmeren Bauern würde der Tod vor Entkräftung drohen und den meisten Städtern ginge es, mit Ausnahme der Reichen, die vorgesorgt und Vorräte gehortet hatten, elend schlecht.
    Dietlindes Abkehr von der Wirklichkeit schritt weiter fort. Rottraut hatte Griseldis jetzt ganz deutlich zu verstehen gegeben, dass für sie im elterlichen Haus kein Platz mehr war:
    »Zwei junge Weiber auf einem Hof, das tut nicht gut«, sagte sie ihr mit großer Bestimmtheit direkt ins Gesicht.
    Griseldis beschloss nun endgültig, der Bitte Herrn Heinrichs zu willfahren. Im Frühjahr war Georg erneut aufgetaucht und hatte die Heilerin heimlich zum herzoglichen Palais gebracht und wieder war es ihr gelungen, Herrn Heinrich von seinen Kolikschmerzen durch

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