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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Hände gierig nach der jungen Frau, als Unruhe entstand und die Rohlinge widerwillig von Griseldis abließen. Blitzschnell hatte sich eine Gasse gebildet und sie vernahm den Ruf eines Mannes:
    »Platz da! Platz da! Macht Platz für die hochedle Frau Königin Kunigunde!«
    »Das ist dein Glück, du unverschämtes Miststück«, raunte einer der vor Angst beinahe ohnmächtigen Heilerin ins Ohr, um sich dann flugs in der Menge zu verdrücken, gleich denen, die noch Sekunden zuvor große Töne gespuckt hatten.
    Ehe Griseldis ob der Nervenanspannung besinnungslos zu Boden stürzte, hörte sie noch die tierischen Schreie des bei lebendigem Leibe zerrissenen Mannes…
    Als Griseldis aus ihrer Ohnmacht erwachte, befand sie sich in einem Zelt, in dem gewebte Decken und mit Gänsedaunen gestopfte Kissen verkauft wurden. Zuerst wusste sie gar nicht, was eigentlich geschehen war. Sie lag auf einem am Boden ausgebreiteten Federbett und ein mit einem Spieß bewaffneter Wächter stand neben ihr.
    Er half der Heilerin wieder auf die Beine und begleitete sie anschließend »auf Wunsch von Frau Königin Kunigunde« zur Residenz zurück. Die Menge wich scheu zurück, als sie, immer noch ganz benommen, neben der königlichen Garde schwankend vorüberging.
    In seiner Kammer warf sich das Mädchen weinend aufs Bett und zog sich die bunte Decke über den Kopf. Der Schock saß tief. Griseldis war bewusst, dass sie mit ihrem Gerechtigkeitsempfinden eine Ausnahme bildete: Daheim in Tannhofen hatte man sie zur rechten Zeit ausgelacht, wenn sie sich über Grausamkeiten ereiferte, die nur sie allein als solche empfunden hatte.
    Bereits als kleines Kind hatte sie unter Heulkrämpfen gelitten, wenn sie miterlebte, wie größere Buben Frösche mittels Strohhalmen aufbliesen, bis deren Bäuche platzten. Oder wenn die Bauern einem als Gänsedieb gefangenen Fuchs bei lebendigem Leib die beiden Hinterpfoten abhackten, um das davonkriechende und jämmerlich jaulende Tier »zur Strafe« elend verrecken zu lassen.
    »Deine Seldi ist schon arg empfindlich«, hatte selbst der Dorfpriester zu Dietlinde gesagt. Später, als Griseldis der Ruf einer Heilerin anhaftete, hieß es: »Sie war schon immer etwas Besonderes – nicht so derb wie unsereiner.«
    Zeitlebens nahm Griseldis an keiner Jagd aktiv teil.
    »Ich könnte niemals ein frei lebendes Tier töten, um es zu essen; und ich will auch nicht zusehen, wie andere das tun. Schlimm genug, dass man manchmal Wölfe und Bären erschlagen muss«, meinte sie. »Auch das Schlachten von Haustieren stößt mich jedes Mal aufs Neue ab, wenngleich ich die Notwendigkeit zur Nahrungsbeschaffung einsehe.«
    Dieses Mal aber war gar ein Mensch das Opfer sinnloser Gewalt geworden. Sie starrte zur Decke ihrer Kammer und weinte sich in den Schlaf. Und dieser Tag hatte so schön begonnen…
     
     

KAPITEL 15
     
    I N DER GLEICHEN Nacht noch kam Vater Berchtold in ihr Zimmer und weckte Griseldis auf. Zuerst war ihr gar nicht bewusst, wo sie sich eigentlich befand. Aber das änderte sich, als der Mönch ihr mit seiner Laterne ins Gesicht leuchtete.
    »Steh auf, Griseldis, der Herr braucht dich«, sagte er drängend. Die Heilerin, die in ihren Kleidern eingeschlafen war, sprang auf und griff nach ihrem Beutel mit den Arzneien.
    Auf geheimen Wegen führte Berchtold das Mädchen direkt in das Schlafgemach König Heinrichs, wo dieser sich vor Schmerzen stöhnend in einem Sessel wand.
    Griseldis erschrak beim Anblick des jungen Herrschers. Aschfahl, mit scharfen Furchen auf Stirn und Wangen blickte der knapp Dreißigjährige sie an. Er schien in den paar Monaten, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, um Jahrzehnte gealtert zu sein. Griseldis’ Herz zog sich vor Mitleid zusammen.
    »Vielleicht kannst du mir wiederum helfen?«, fragte Heinrich mit verzerrter Miene. »Meine Ärzte will ich nicht holen lassen. Ich möchte, dass mein Leiden so lange wie möglich geheim bleibt. Ein neuer König darf nicht krank sein. Das wäre schlecht für meinen Ruf.
    Manche könnten glauben, mit einem siechen Herrscher könnten sie nach Belieben umspringen; nur Kraft und Stärke beeindrucken die Menschen. Es darf nichts über meine Koliken nach außen dringen, Mädchen«, betonte der Herrscher noch einmal eindringlich.
    »Ja, Herr Heinrich, ich habe das schon verstanden. Seid versichert, Herr, von mir erfährt niemand etwas. Bitte, lasst Euch nieder auf dem Bett, damit ich Euch untersuchen kann, Herr.«
    Der König gehorchte schweigend. Nur Vater

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