Die Heilerin des Kaisers
Daraufhin musste Berchtold herzlich lachen.
»Ja, es wird noch eine Weile dauern, bis alle Menschen auch in den hintersten Winkeln des Reiches davon Kenntnis haben werden. Es war auch kein leichter Weg, den unser lieber Herr Heinrich da gegangen ist. Wenn es dich interessiert, meine Tochter, werde ich dir davon erzählen.«
Griseldis nickte und sagte: »Ich bin ganz Ohr, Pater…«
KAPITEL 16
I M W INTER DES Jahres 1001/1002 hatten bisher nicht allzu frostige Temperaturen geherrscht und Schnee war nur in der Woche vor Weihnachten und drei Wochen lang ab Epiphanias gefallen. Der geringen Schneeschmelze wegen hofften die Bürger von Regensburg in diesem Frühjahr glimpflich davonzukommen. Die Schäden durch das Hochwasser der Donau im vergangenen Jahr waren allen noch in leidvoller Erinnerung. Gerade die Hütten der Ärmsten unten am Fluss waren regelrecht in den Fluten abgesoffen.
Wir waren gerade dabei, wichtige Papiere zu sichten, als Herzog Heinrich behänd vom Tisch aufsprang und zum Fenster eilte, wo er die vorgelegten Holzläden weit aufstieß.
»Endlich frische Luft, Vater Berchtold. Ich glaube, Ihr wollt uns hier drinnen ersticken lassen vor Rauch und Hitze«, meinte der junge, dunkelhaarige Mann und wandte sich zu mir um. Ich saß mit verschränkten Armen fröstelnd am Tisch, obwohl ich dick eingehüllt war mit einer Weste aus Schaffell über der schwarzen Benediktinerkutte. Vor mir hatte ich allerhand Dokumente ausgebreitet liegen.
»Bedenkt, Herr Herzog, ich lebe schon über zwanzig Jahre länger als Ihr. Meine alten Knochen schmerzen erbärmlich bei Kälte. Mir mangelt Euer jugendliches Feuer.«
Worauf der Herzog von Baiern die Läden wieder mit einem lauten Knall zuklappte.
»Da ich Euch noch lange brauche, Vater«, sagte er grinsend, »will ich Euch nicht erfrieren lassen. Wir wollen uns hinterher einen Krug Gewürzwein genehmigen, der uns beide von innen aufwärmen wird. Aber jetzt an die Arbeit.«
Ein Schreiben Herrn Heriberts, des Erzbischofs von Köln, war in der Residenz eingetroffen mit der höflichen Bitte, der Herzog möge sich doch dem aus Italien eintreffenden Trauerzug, der sich bereits auf baierischem Boden befand, anschließen und Kaiser Otto III. das Letzte Geleit geben.
Heinrich griff nach dem Pergament und betrachtete es stirnrunzelnd.
»Sieben Jahre war Kaiser Otto jünger als ich und dem HERRN im Himmel hat es gefallen, ihn im jugendlichen Alter von zweiundzwanzig Jahren zu sich zu rufen.«
»Der HERR sei seiner Seele gnädig, er ruhe in Frieden«, murmelte ich und bekreuzigte mich. »Er mag ein großer Kaiser gewesen sein, aber verstanden haben ihn die wenigsten. Auch Euer Herr Vater hatte oft große Schwierigkeiten mit ihm.«
»Das will nichts besagen. Das lag wohl eher am Wesen meines Vaters Heinrich, der nicht ohne Grund der Zänker hieß, meint Ihr nicht?«, warf der Herzog ein. »Ich bin mit Otto immer gut ausgekommen und habe ihn sogar zweimal nach Italien begleitet. Zu Anfang ist mir mein Vetter zwar ziemlich distanziert begegnet, aber allmählich ist unsere Beziehung beinahe herzlich geworden.«
»Ja, Euer verehrter Herr Vater, Heinrich der Zänker, war gewiss ein schwieriger Mann – mit Verlaub zu sagen. Friede auch seiner Seele.« Abermals bekreuzigte ich mich. » Und damit sind wir schon mittendrin: Durch den Tod Eures Vaters seid Ihr derjenige mit dem Anrecht auf den deutschen Königsthron.«
Ich nahm ein weiteres Schreiben vom Tisch auf, wobei mir die schmerzlich verzogene Miene meines Herrn sowie dessen verstohlener Griff an den Rücken, wo die Niere sitzt, keineswegs entgingen.
»Ein reitender Bote hat dies heute gebracht, mit den besten Grüßen von Eurem Verwandten, Herzog Otto von Kärnten«, sagte ich und hielt dem Herzog den Brief hin. »Er tut das, was ich Euch schon vor einem Monat vorhergesagt habe, als die Nachricht vom Tod des Kaisers bei uns eintraf. Herzog Otto verzichtet auf sein Anrecht, Kandidat bei der Königswahl zu sein. – Und damit tut er recht; ist er doch nur durch seine Mutter ein Enkel von Kaiser Otto I. Ihr hingegen seid ein Urenkel von Kaiser Heinrich I. So ist der Kärntner zwar mit dem letzten deutschen Kaiser näher verwandt, aber nur dank weiblicher Erbfolge, während Ihr, Herr, dem Kaiserhaus im Mannesstamm angehört.«
Der Herzog hatte sich wieder unter Kontrolle, seine Gesichtszüge entkrampften sich und ich atmete im Stillen auf.
›Bloß keine Kolik zum jetzigen Zeitpunkt‹, dachte ich und beobachtete,
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