Die Heilerin des Kaisers
alte Frau und kicherte gehässig.
»Ja, das geschieht der faden Betschwester recht! Das ist noch viel wirkungsvoller als ein Mord«, jubelte die Base. »Einen solchen könnte man uns unter Umständen auch nachweisen; dieser Angriff wird uns gelingen, trotz des Schutzmantels ihrer Frömmigkeit.«
Griseldis sah, wie Irmintraut mit sichtlicher Genugtuung die Pfeilspitze einige Male tief in den Unterbauch der Wachsfigur stach.
»Du bist wirklich sehr klug«, lobte sie dabei die unheimliche Alte. »Damit erledigen wir meine lästige Verwandte genauso gut, als würden wir sie umbringen: Eine unfruchtbare Königin ist für jeden Herrscher ein Fluch, von dem er sich befreien will. Ein Weib mit verdorrtem Schoß ist jedem Mann ein Gräuel! – Heinrich wird sie wegschicken, vermutlich in ein Nonnenkloster, wo sie wahrlich bestens aufgehoben wäre. Und ich habe keinen Mord auf mich geladen. Die Sühne dafür ist nämlich recht hart, wenn man dummerweise der Tat überführt wird«, fügte sie mit frivolem Lachen hinzu.
Die hässliche alte Frau hatte sich bei Jungfer Irmintrauts Worten bekreuzigt, worauf diese in schrilles Gelächter ausgebrochen war, dessen Echo sich unter den Gewölbebögen schaurig anhörte.
Doña Maddalena entnahm das Abbild den Händen ihrer Schutzbefohlenen, stellte die Wachspuppe auf den Sockel zurück und zog den schwarzen Vorhang davor. Sie zuckte die knochigen Schultern unter ihrem wollenen, dunklen Surkôt, dem Überzieher, den sie stets um sich geschlungen trug, sommers wie winters.
»Und vergesst nicht, das Ergebnis wird sich langsam zeigen. Ihr dürft nicht die Geduld verlieren, Herrin. Wir werden die Gegenkräfte allmählich ausschalten und der Erfolg wird Euch auf jenen Platz erhöhen, der Euch zusteht, meine Schöne.«
Und dann verabschiedete die Hexe ihre nächtliche Besucherin, nicht ohne diese noch einmal an das Gold erinnert zu haben, das sie für ihre Machenschaften brauchte.
Die vor Empörung beinahe betäubte Griseldis machte rasch und lautlos auf dem Absatz kehrt, ehe man sie doch noch bemerkte. Da Vater Berchtold sich bereits bei seinem königlichen Herrn in Bamberg aufhielt, wusste sie nicht, an wen sie sich wenden sollte.
Sie hätte dringend jemanden gebraucht, mit dem sie vertrauensvoll über die schrecklichen Dinge, deren Zeugin sie geworden war, hätte sprechen können. Welches Ausmaß an Gehässigkeit war bei Jungfer Irmintraut zum Vorschein gelangt!
Zudem war Griseldis verwirrt: Waren diese Frauen wirklich abgrundtief böse oder waren sie einfach verrückt? Jedenfalls musste man davon ausgehen, dass beide für die Königin eine mögliche Gefahr darstellten – obwohl der Heilerin im Innersten der Puppenzauber reichlich kindisch vorkam.
›Ich werde auf Frau Kunigunde Acht geben, damit diese schrecklichen Teufelsweiber ihr nichts antun können‹, nahm sie sich vor.
An die Möglichkeit, dass mittels eines wächsernen Popanzes der Königin ernsthaft ein Leid geschehen könnte, glaubte sie keinen Augenblick lang; das erschien ihr einfach albern. Einen Anschlag auf Kunigunde, zum Beispiel in Form einer absichtlichen Vergiftung, hielt sie aber sehr wohl für möglich, falls nach dem Geschmack der Base die Folgen des Fluchs zu lange auf sich warten ließen.
KAPITEL 19
I NZWISCHEN HATTE AUCH die Königin mit ihrem Hofstaat im fränkischen Bamberg Wohnung genommen, einem lieblichen Ort, den Griseldis vom ersten Augenblick an gemocht hatte. Hier würde sie eine neue Heimat finden.
Von Vater Berchtold hatte sie erfahren, dass bereits der Abt Regino von Prühm, ein Geschichtsschreiber des neunten Jahrhunderts, dieses Bamberg als Castrum Babenberch in einer Urkunde erwähnt hätte.
»Der damalige Kaiser hat es den Babenbergern weggenommen und dem Vater unseres Königs, Herzog Heinrich dem Zänker geschenkt«, klärte er sie auf.
Weihnachten 1002 war lange vorüber. Sie hatte das Fest von Christi Geburt weit weg von ihrem Heimatort gefeiert. Aber seit Frau Rottraut auf dem ehemals väterlichen Hof das Regiment übernommen hatte, war dies vielleicht ganz gut so. Obwohl sie nach wie vor meist nachts das Heimweh plagte.
Besonders nach ihrer jüngeren Schwester Gertrud fühlte sie des Öfteren große Sehnsucht sowie nach der Mutter – obwohl diese sich so schrecklich verändert hatte. Griseldis fragte sich, wie es wohl ihrem Vater Frowein ergehen mochte. Der im Grunde seines Herzens friedfertige Mann würde sicherlich versuchen, seinem Sohn und seiner
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