Die Heilerin des Kaisers
Güte, Herzenswärme und wahre Frömmigkeit die Herzen der Menschen gewann, steckte ihre Verwandte voll Missgunst und hinterhältiger Bosheit.
Herr Heinrich hielt jedenfalls, laut Vater Berchtold, wenig von der »lieben Schwester« seiner Gemahlin, aber es gelang ihm niemals, Kunigunde über die zwiespältige Natur ihrer Verwandten die Augen zu öffnen.
Auch der Benediktiner Berchtold, der die Jungfer Irmintraut samt ihrer »höllischen Dienerin« nicht leiden konnte, fand bei der Königin kein Gehör. Allzu sehr hing Frau Kunigunde an ihrer Base, mit der sie gemeinsam am Hof ihres Vaters in Lützelburg aufgewachsen war.
Die zwergenhaft kleine, hässliche Spanierin an deren Seite mochte ebenso gut vierzig wie siebzig Jahre zählen. Sie war stets in schwarze Gewänder gekleidet und trug auf dem Kopf eine riesige, grotesk anmutende Haube, die ihr Gesicht weitgehend verbarg. Nur eine lange, spitze und gleich einem Geierschnabel gebogene Nase stach unter dem Haubenungetüm hervor.
Man sagte, das unheimliche Weib stamme aus Granada und mische allerlei Schönheitsmittel und Verjüngungstränke; angeblich verstand sie es auch, die Liebe eines jeden Mannes zu entzünden mittels geheimer Formeln und Verrichtungen: Dazu gehörten merkwürdige Tänze bei Vollmond sowie Beschwörungen von Geistern und Opfergaben an heidnischen Orten.
Dies jedenfalls wurde hinter vorgehaltener Hand gemunkelt; laut wagte niemand, die Vertraute der Base Kunigundes des Götzendienstes und der Hexerei zu beschuldigen.
Da sich Heinrich für Frau Irmintraut nicht weiter interessierte und überdies keinen unnötigen Gedanken an sie und ihr Gesinde verschwendete, blieben ihm die Machenschaften der Anstandsdame Doña Maddalena verborgen. Und das war deren Glück, denn die Kirche ging unnachgiebig gegen jegliches Zauberunwesen, gegen Wahrsager und Hexen vor. Dennoch wuchs der Einfluss jener, die das Okkulte praktizierten.
Wer sich mit geheimen Künsten befasste, war in den Augen der Kirchenmänner ein Ketzer, ein Abtrünniger, der mit dem Teufel einen Pakt geschlossen hatte. Praktizierende Hexen und Zauberer wurden mit der Prügelstrafe belegt und aus dem Dorf oder der Stadt verjagt. In ganz schweren Fällen wurden die Betreffenden zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt.
Im Flüsterton sprach man in diesem Zusammenhang auch von etlichen hochgestellten Herren und Damen im Reich, sogar von Kirchenfürsten und Äbtissinnen war die Rede, die sich angeblich neben ihrem Beichtvater einen Magister halten würden oder zumindest eine weise Frau, die in den Zauberkünsten wohl bewandert war.
Was Hexerei anbetraf, war König Heinrich überaus skeptisch: Vielleicht lag es an seiner Bodenständigkeit und an seinem ausgesprochenen Realitätssinn. Nicht nur einmal konnte Griseldis hören, wie er sich davon distanzierte und seinen Gefolgsleuten eine herbe Abfuhr erteilte: »Hält jemand Spuk und Zauberei für wahr, zeugt dies von einem Mangel an richtigem Glauben und einer gewissen Denkfaulheit.«
KAPITEL 18
A M FOLGENDEN T AG sollte der Reisezug der Königin sich auf den Weg von Regensburg nach Bamberg machen. Schon längst hatte Griseldis ihr abendliches Gebet gesprochen, aber vor Aufregung vermochte sie nicht einzuschlafen. Was würden die nächsten Jahre im Dienste des Königs ihr wohl bescheren?
Die Dunkelheit war längst hereingebrochen, es ging auf Mitternacht zu und nur noch eine ganz schmale Mondsichel stand hoch oben am nachtschwarzen Himmel. Plötzlich sah sie, wie eine mittelgroße, schlanke, der Gangart nach weibliche Gestalt rasch den inneren Burghof der Residenz überquerte.
Nur ein paar gelangweilte Wachtposten marschierten über das Katzenkopfpflaster vor einer Fassade des Gevierts, in dem Frau Kunigunde im Augenblick allein mit ihrem Hofstaat und Gesinde residierte. Keinem der Männer war die in einen langen Umhang mit Kapuze eingehüllte Person aufgefallen.
Griseldis aber hatte in ihrem Kämmerchen die Schritte gehört und war in den zugigen, nur von einigen flackernden Fackeln erleuchteten Flur geschlichen. Als eine schwere Seitentüre sich langsam öffnete, drückte sie sich schnell in eine dunkle Mauernische. Wer würde jetzt auftauchen? Warum diese Heimlichtuerei?
Es war in der Tat die geheimnisvolle, dunkle Gestalt einer Frau, die jetzt durch den Türspalt schlüpfte, den beinahe finsteren Gang entlanghuschte und einer Treppe auf der Rückseite des Gebäudes zustrebte. Diese führte geradewegs ins Kellergewölbe des
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