Die Heilerin des Kaisers
Schwiegertochter aus dem Weg zu gehen.
›Und Dietwulf?‹ Sie seufzte. ›Der wird nach der Pfeife seines herrschsüchtigen Weibes tanzen‹, dachte sie betrübt.
Von den anderen Gesellschaftsdamen der Königin weitgehend gemieden, war Griseldis oft allein. Aber das störte sie nicht, war sie doch damit beschäftigt, für den Nachschub an Arzneipflanzen und Heilmitteln zu sorgen. Außerdem hatte sie nicht selten Kranke in der Hofhaltung zu betreuen – dabei spielte ihre unedle Abstammung keine Rolle.
Aber auch die Menschen in und um Bamberg hatten bald von ihr und ihren wohltuenden Säften und Kräutern sowie ihren Heil bringenden Händen gehört. Meistens war sie am Abend erschöpft, aber niemals wäre es ihr in den Sinn gekommen, einem Siechen ihre Hilfe zu verweigern. Das hatte sie einst Muhme Bertrada versprochen…
Zum König war sie seit längerer Zeit nicht gerufen worden. Doch sie war deswegen nicht enttäuscht, sondern verspürte eine tiefe Dankbarkeit: Bedeutete es doch, dass der von ihr geliebte und verehrte Herrscher nicht die furchtbaren Schmerzen einer Steinkolik zu erdulden hatte.
Inzwischen schrieb man das Jahr 1004 und König Heinrich bereitete sich in diesem Frühling darauf vor, mit einem großen Heer nach Italien zu ziehen, um dort im Sinne des deutschen Reiches »die Ordnung wiederherzustellen.«
In Rom regierte ein Fürst, genannt »Patricius«, nach seinem ganz eigenen Gutdünken; und der derzeitige Papst mit dem Spitznamen »Boccaporco«, Schweinsmaul, war eine Marionette dieses »Patricius«. Und schließlich war da immer noch der Gegenkönig Arduin von Ivrea – ein äußerst brutaler Machtmensch.
Vater Berchtold hielt sich bei Frau Kunigunde und ihren Damen in der Spinnstube auf, wo die Königin viele Stunden des Tages mit Handarbeiten, Geschichtenerzählen, Vorlesen und Brettspielen zubrachte. Der Mönch unterhielt die Frauen meist mit kurzweiligen Anekdoten und Märchen, wusste aber auch zahlreiche wahre Begebenheiten zu erzählen.
»Arduin hat einst Bischof Petrus von Vercelli ermordet, weswegen ihn Kaiser Otto bestrafte und ihm die Würde eines Markgrafen entzog. Daher stammt auch sein Hass gegen alle Deutschen. Im eigenen Land erfreut sich Herr Arduin keineswegs besonderer Beliebtheit; aber immerhin ist er ein Einheimischer und genießt somit gewisse Vorteile. Nur ein paar Herren, hauptsächlich Bischöfe, sind deutschfreundlich geblieben aus Abneigung gegen den Bischofsmörder Arduin.«
Griseldis erinnerte sich, dass beim letzten Weihnachtsfest in der Pfalz zu Pöhlde der geistliche Oberhirte von Verona, Bischof Otbert, in Begleitung von zahlreichen Gefolgsleuten zugegen gewesen war. Dieser Kirchenfürst hatte König Heinrich offiziell ersucht, nach Italien zu ziehen und der Tyrannei Arduins ein Ende zu machen.
Ein ansehnliches Heer hatte sich zusammengefunden. Auch ein jüngerer Bruder der Königin, Herr Giselbert, hatte Heinrichs Aufruf Folge geleistet und ihr älterer Bruder, Graf Hezelin von Lützelburg, versprach, später noch zur königlichen Armee dazuzustoßen.
Der neueste Vasall Heinrichs, Herzog Boleslaw von Polen, hatte sich allerdings mit einer fadenscheinigen Ausrede dem Italienzug entzogen. Der König war sehr verärgert darüber, witterte er doch Verrat. In Augsburg versammelte sich dann der Heerbann, bestehend aus Franken, Schwaben, Lothringen und Baiern. Die sächsischen Soldaten hatten in ihrem heimatlichen Lager zu bleiben, um die Grenzen gegen den wankelmütigen Boleslaw zu bewachen.
Auf ausdrücklichen Wunsch des Königs musste die Heilerin dieses Mal mitziehen.
»Eine Blasensteinkolik ausgerechnet in Italien wäre ausgesprochen lästig, ja, geradezu verheerend«, hatte Heinrich sein Ansinnen begründet. Griseldis war sofort bereit, ihrem Herrn zu folgen. Aufgrund ihrer Größe und der überschlanken Figur konnte sie sich mit der entsprechenden Kleidung durchaus als junger Mann ausgeben.
Der Marsch der Deutschen über den Brennerpass, wo noch reichlich Schnee lag, war nicht unbemerkt geblieben.
»Herr Arduin, mein Gegenkönig, hat die Brentaklausen bei Primolano besetzen lassen. Vermutlich hofft er, damit den Vormarsch seines Gegners aus dem Norden scheitern zu lassen.«
Der König schüttelte den Kopf.
»Ein wahrhaft kindisches Unterfangen, Herr Heinrich«, sagte lachend sein Verwandter, Herzog Otto von Kärnten. »Wenn Ihr erlaubt, Vetter, machen meine Leute in Kürze dem Spuk ein Ende. Wie man im Gebirge kämpft, das wissen wir
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