Die Heilerin des Kaisers
Kärntner allemal.«
Heinrich ließ seine Verbündeten stürmen. Sie überrannten die Belagerer der Klausen und der König rückte im Eilmarsch in die italische Ebene hinab. Als Arduin die Nachricht erreichte, dass die Deutschen das Hindernis ohne größere Schwierigkeit durchbrochen hätten, reagierten er und seine Mannen geradezu kopflos.
»Herr Heinrich«, meldete ein baierischer Späher dem König, »der falsche König ist flink wie ein Has in seine Markgrafschaft Ivrea auf die Burg Sparone geflüchtet, während seine Leut wie eine Herde Schafe ohne Orientierung durcheinanderlaufen.«
Griseldis hatte bis jetzt nicht die leiseste Spur von Angst gefühlt; ihr war nicht einmal bewusst geworden, dass überhaupt Kämpfe stattfanden – hatte Heinrich doch angeordnet, dass der Platz seiner Medica während dieses Kriegszuges hinten beim Tross in geschützter Position zu sein habe.
Griseldis sah sich als junger Bursche namens Garwein mit Brustharnisch, Lederhosen und einem Lederhelm als Bewacher der Versorgungswägen eingesetzt. Die unbequeme Kopfbedeckung hatte immerhin den Vorteil, dass sie ihre langen, honigblonden Haare darunter verstecken konnte.
Ein vernarbter, graubärtiger Haudegen, der ein Bein leicht nachzog und daher nur noch zu Wachdiensten und nicht mehr zum Kämpfen taugte, hatte den jungen Neuankömmling sehr genau von oben bis unten beäugt.
»Mir machst du nix vor«, hatte er gebrummt, »du bist kein Kerl. Dazu sind deine Hände zu klein, die Finger zu schmal und deine Handgelenke viel zu zart.« Ehe Griseldis protestieren konnte – sie saß während einer kurzen Marschpause breitbeinig wie ein Mann auf einem Baumstumpf –, warf der alte Krieger ihr einen Apfel zu, den er kurz vorher von einer Bäuerin geschenkt bekommen hatte.
»Da, fang auf, Bursche!«
Es war der älteste Trick der Welt – und Griseldis fiel prompt darauf herein. Nach Weiberart kniff sie die Schenkel zusammen, um in ihrem Schoß die Frucht zu bergen.
»Ha, wusste ich’s doch«, sagte der Graubart grinsend. »Du bist ein Frauenzimmer und kein Mann. Sonst hättest du jetzt unwillkürlich die Beine noch weiter auseinandergespreizt, um den Apfel aufzufangen.«
Griseldis war rot angelaufen und wollte zu einer Erklärung ansetzen, aber der Alte winkte gutmütig ab.
»Keine Angst, Garwein! Mein Hauptmann hat gesagt, dass du auf Wunsch des Königs bei uns bist – und das soll mir genügen. Das Warum geht mich nichts an.«
Der Marsch durch Norditalien schien vorerst ein gemütlicher Spaziergang zu sein. Anfang Mai 1004, bei strahlendem Frühlingswetter, traf König Heinrich in der Stadt Verona ein, wo ihn die Einwohner und an ihrer Spitze Bischof Otbert mit großem Jubel empfingen. Vater Berchtold, der sich diesen Italienzug nicht hatte ausreden lassen, strahlte mit der Sonne des Südens um die Wette.
»Nicht um alles in der Welt bleibe ich daheim, Herr«, hatte er den König wissen lassen, als dieser vorsichtig in Bamberg hatte anfragen lassen, wie es um die Teilnahme des betagten Mönchs an diesem Heereszug nach Italien stünde.
Jetzt hielt sich Vater Berchtold stets dicht an Heinrichs Seite. Auch Griseldis war neuerdings darauf bedacht, sich nicht zu weit vom König zu entfernen: Seine gelbliche Gesichtsfarbe gefiel ihr nämlich überhaupt nicht. So kündigte sich in aller Regel eine Kolik an.
Ihr zur Seite gestellter Beschützer mit Namen Bertwin war ohne zu fragen mit ihr im Heereszug nach vorne gerückt. Bald wusste er Bescheid, welche Aufgabe »Junker Garwein« beim König zu erfüllen hatte. Sein Respekt vor diesem Weib in Männertracht war daraufhin um ein Beträchtliches gestiegen.
»Herr«, jubelte Vater Berchtold, hochzufrieden über den freundlichen Empfang in Verona, »die Menschen lieben Euch! Ihr habt ihre Herzen im Sturm erobert.«
»Abwarten, mein guter Pater«, meinte Herr Heinrich leise und dämpfte Berchtolds Euphorie ein wenig. »Nicht alle sind so begeistert von unserer Ankunft, glaubt mir.«
Doch vorerst genossen sie Herrn Otberts geradezu überwältigende Gastfreundschaft. Jeden Tag, den Heinrich und sein Gefolge in Veronas Mauern verbringen sollten, gab es einen Festschmaus mit Musik, ritterliche Kampfspiele, die neuerdings mit großer Begeisterung und sehr lockeren Regeln abgehalten wurden, und hin und wieder ein ordentliches Trinkgelage.
So sehr der König im Allgemeinen um Mäßigkeit bemüht war – seine nicht allzu kräftige Gesundheit erlaubte ihm keine Ausschweifungen –, so legte
Weitere Kostenlose Bücher