Die Heilerin des Kaisers
nötig.«
»Pah, Ihr und Eure dubiosen Arzneien! Ihr seid nicht die weise Frau, die Ihr sein wollt«, meinte der Pater spöttisch.
»Was wollt Ihr denn? Alle meine Mixturen, Tinkturen, Salben und Drogen stehen den Leuten zur Kontrolle offen, die etwas davon verstehen. Bei mir gibt es keine geheimen Rezepturen. Ich führe über meine Medizinen und ihre Zusammensetzungen genau Buch.«
»Ja, ja«, lachte der Mönch gehässig, »bis auf jene, von denen niemand etwas sehen darf. Auch der Medica unseres Herrn gegenüber haltet Ihr Euch sehr bedeckt – ganz so, als hättet Ihr vor Herrn Heinrichs Heilerin etwas zu verbergen.«
»Es ist doch nicht mein Versäumnis, wenn sie und Ihr weniger wisst als ich«, gab Frau Irmintraut schnippisch zur Antwort.
Griseldis war bei dem Gesagten sehr nachdenklich geworden. Sie hörte, dass Berchtold und die Base der Königin ihr Streitgespräch beenden mussten, da ein Diener erschienen war, der die Dame ausnehmend höflich bat, sich umgehend zu ihrer königlichen Verwandten zu begeben.
»Mein GOTT, was für eine gefährliche Widersacherin befindet sich doch in unmittelbarer Nähe von Heinrich und Kunigunde«, flüsterte Griseldis mit bebenden Lippen vor sich hin. Vor allem um den geliebten und verehrten König machte sie sich große Sorgen.
›Dieses Weib würde auch nicht davor zurückschrecken, einen anderen Fürsten anzustacheln, sich des Thrones zu bemächtigen‹, überlegte die Heilerin. Mit Erschrecken wurde ihr zum ersten Male richtig bewusst, wie gefährlich diese zweifellos intelligente Frau in Wahrheit war.
Die schöne Irmintraut spielte keineswegs nur zum Vergnügen mit wächsernen Puppen…
Zum Leidwesen der Kirche und des Königs gab es in und um die Stadt Merseburg immer noch Heiden und sogar Getaufte wurden dabei ertappt, wie sie heimlich zu ihren alten Bräuchen zurückkehrten und die heidnischen Götter in geheimen Höhlen und heiligen Hainen anbeteten. Runen wurden geworfen und auf heidnischen Opfersteinen Gaben für die lange tot geglaubten Gottheiten dargebracht.
Der König setzte den bekannt strengen Mönch Brun als Missionsbischof ein, in der Hoffnung, dass er die Heiden zum rechten Glauben führen und die verirrten Schafe erneut in ihre christliche Herde eingliedern werde. Widerspenstige Götzendiener sollten empfindlich bestraft werden.
Als die Heilerin Vater Odo davon sprechen hörte, fiel ihr siedendheiß ihre verstorbene Mutter Dietlinde ein, die sich in ihren letzten Lebensjahren deutlich vom rechten Christenglauben abgewandt hatte.
›Seit die verwahrlosten Mönche in unser Haus gekommen waren, war die Mutter wie verwandelt gewesen‹, dachte sie. ›Die Kerle hatten ihr Schlimmes angetan und Dietlinde hatte eine Abneigung gegen die Kirche gefasst, der diese Scheusale angehörten; sie war zum Glauben an die Götter unserer Vorfahren zurückgekehrt.‹
Als Dietlinde in die Ewigkeit eingegangen war, spürte Griseldis beinahe Erleichterung: Zeigten die Priester doch im Allgemeinen wenig Erbarmen mit ertappten Götzendienern, obwohl diese in König Heinrichs Reich im Vergleich mit denen im hohen Norden verhältnismäßig gut wegkamen. Griseldis hatte durch Vater Odo von dem im Jahre 1000 ums Leben gekommenen König der Norweger, Olaf I. Tryggvasson, gehört, der verstockte Heiden und abtrünnige Christen mit großer Grausamkeit hatte verfolgen lassen.
Und wer jetzt in Norwegen das Kreuz verachtete oder sich gar weigerte, die Taufe zu empfangen, unterlag der Folter durch die Schergen des Königs Olaf II. Haraldsson, die sogar Island und neuerdings auch Grönland heimsuchten, um gewaltsam die Lehre Jesu Christi zu verbreiten. Abgehackte Hände und Füße legten beredtes Zeugnis ab vom missionarischen Eifer der Abgesandten des norwegischen Königs.
Mit Schaudern hatten die Heilerin und die Damen der Königin die Leidensgeschichte eines standhaften Wikingers auf Grönland vernommen. Ihm hatte der Gesandte König Olafs eine giftige Schlange in den Schlund gezwungen, damit diese ihm die inneren Organe anfressen sollte…
Zum Glück lehnte König Heinrich solch drastische Strafen ab: Er packte die Menschen lieber am Geldsack. Die christlichen Priester waren angehalten, harte Geldbußen über heimliche Abtrünnige zu verhängen. Im Wiederholungsfall wurden die Missetäter aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen und in ganz hartnäckigen Fällen ließ der König sie des Landes verweisen.
Vater Berchtold hatte sich eine Zeit lang weidlich geschämt
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