Die Heilerin des Kaisers
für sein Heimatkloster auf der Insel Reichenau. Kanzler Eberhard sah sich veranlasst, den König von sehr unerfreulichen Vorkommnissen im dortigen Kloster wissen zu lassen und Heinrich nahm sich der Dinge umgehend an.
Abt Werinher, der gute Hirte seiner Mönche, war kürzlich gestorben und die frommen Väter und Brüder hatten sich aus ihrer Mitte einen Nachfolger gewählt, mit dem sie leichtes Spiel hatten. Er war schwach und vermochte nicht, den geltenden Ordensregeln Geltung zu verschaffen.
Seit Kurzem trug Vater Berchtold den Kopf wieder um einiges höher. Der König hatte nämlich die Wahl verworfen und übertrug die Leitung dem strengen Klosterreformer Abt Immo. Daraufhin verließ aus Protest eine Reihe von Mönchen das Kloster, gegen andere schritt Herr Immo mit schweren Strafen ein und in Kürze lebten Frömmigkeit, Glaube, Wissen und Bildung wieder auf.
»In den Bereichen Musik und Buchmalerei erleben die Reichenauer Mönche auf einmal wahre Höhepunkte. Durch strenge Zucht und Einhaltung der Ordensregeln ist mein altes Kloster ein Hort des Glaubens, ein Vorbild für christliches Leben und Zeuge für deutsches Kulturschaffen geworden«, frohlockte Vater Berchtold. Er war zu Griseldis geeilt, um ihr die gute Nachricht zu überbringen.
KAPITEL 43
F RÜH AM M ORGEN war die Heilerin zu einer schwer verletzten Edelfrau außerhalb Bambergs geholt worden; es sollte zur Burg des ältlichen Grafen von Benderstein gehen, eines als übellaunig und jähzornig bekannten Edelmanns.
Der Knecht des Grafen hatte sie ganz dringlich gebeten mitzukommen, doch er hatte sich so vage ausgedrückt, dass Griseldis von einem Unfall der noch sehr jungen Gräfin ausgegangen war.
Als sie jedoch der Verletzten in deren Kemenate ansichtig wurde, erkannte sie auf einen Blick, dass die Dame Opfer einer schweren Misshandlung geworden war. Ihr Kopf schien dabei das meiste abbekommen zu haben. Das Nasenbein war gebrochen, der Unterkiefer ausgerenkt und einige Zähne saßen locker. Die Haut im Gesicht wies grüne und blaue Flecken auf und ihre Unterlippe blutete.
Nur ein ausgemachter Rohling konnte Gräfin Sybilla das lange, silberblonde Haar büschelweise ausgerissen haben. Die weitere Untersuchung, die Griseldis nur mit größter Behutsamkeit vornehmen konnte, da das arme Geschöpf sonst vor Schmerzen laut aufschrie, förderte noch etliche gebrochene Rippen, eine ausgerenkte Schulter, ein verstauchtes Handgelenk und drei gebrochene Finger zu Tage. Außerdem hatte die junge Frau unzählige Abschürfungen und Blutergüsse am gesamten Körper.
Nach der Art ihrer Beschwerden vermutete Griseldis innere Verletzungen durch Faustschläge und Fußtritte in den Leib. Die Gräfin fiel zeitweilig in Ohnmacht – was einerseits ein Segen war, denn so konnte Griseldis die Brüche schienen, Unterkiefer und Schulter einrenken und Frau Sybilla einen festen Stützverband um den Oberkörper wickeln, ohne dass die Ärmste sie durch ihr Jammergeschrei bei der Arbeit störte.
Die Heilerin wischte ihr gerade mit einem feuchten Tuch das Blut aus dem Gesicht, als die Gräfin aus einer kurzen Bewusstlosigkeit erwachte.
»Ihr seht aus, Gräfin, als wäret Ihr vom Turm in den Schlossgraben gestürzt oder als wäre ein wütender Stier auf Euch herumgetrampelt. Wer in GOTTES Namen hat Euch das nur angetan?«, fragte Griseldis mit vor Zorn bebenden Lippen. Zwar wusste sie bereits Bescheid, denn eine schwatzhafte, aber beherzte Dienerin – die gleiche, die heimlich und ohne Wissen des Burgherrn Griseldis’ Kommen veranlasst hatte – hatte sie längst über die Umstände ins Bild gesetzt. Aber sie wollte den Namen des Missetäters aus dem Munde der Betroffenen selbst hören.
»Mein Gemahl«, stöhnte die Gräfin undeutlich und verzog dabei schmerzlich die Miene im violett verfärbten Gesicht.
»Ich habe Eure Schulter eingerenkt und die gebrochenen Finger geschient. Außerdem habe ich Euch einen Verband um die Rippen angelegt, damit sie schneller zusammenwachsen. Jetzt werde ich Heilsalbe auf Euer Antlitz auftragen, damit die Abschürfungen rasch abheilen und keine Narben zurückbleiben.«
»Sie soll ruhig Narben zurückbehalten, diese Unwürdige«, ertönte da hinter Griseldis eine wütende männliche Stimme. »Sie hat es nicht anders verdient. Vielleicht wird eine Entstellung ihres Gesichts sie in Zukunft davon abhalten, ihren Gatten unter seinem eigenen Dach zu betrügen!«
Ohne dass Griseldis es bemerkt hatte, war Graf Albrecht ins Gemach
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