Die Heilerin des Kaisers
Mann zu finden.«
Die Heilerin verstummte.
»Verflucht sollt Ihr Weiber sein, der Ruin von uns Männern«, schrie der Graf unbeherrscht. Aber es war deutlich, dass er keine Anstalten mehr machen würde, seine Gemahlin erneut zu quälen oder Griseldis zu belästigen. Er hatte die Heilerin nur allzu gut verstanden…
Unter lästerlichen Flüchen verließ Benderstein die Kemenate der Gräfin, deren Gesicht Griseldis nun mit feinen Leinenstreifen, bestrichen mit Arnika-und Ringelblumensalbe, verpflasterte. Auch auf die aufgeplatzte Lippe trug sie Heilsalbe auf. Nur mühsam konnte Frau Sybilla sprechen.
»Ich möchte Euch Dank sagen nicht nur für Eure Heilkünste, sondern auch dafür, dass Ihr Euch so mutig für mich, eine verfluchte Ehebrecherin, eingesetzt habt. Ich kenne niemanden, Frau Griseldis, der das getan hätte, was Ihr für mich getan habt: mich vor meinem rasenden Mann in Schutz zu nehmen.«
Aber diese winkte ab. »Selbst unser HERR JESUS hat der Ehebrecherin verziehen und ihre Ankläger dadurch beschämt, dass er jene, die ohne Schuld zu sein behaupteten, aufgefordert hat, den ersten Stein auf sie zu werfen – worauf sich überhaupt niemand mehr an der üblichen Steinigung beteiligte.
Und Euer Gemahl hat wohl am allerwenigsten Ursache, sich durch Euren angeblichen Verrat beleidigt und entehrt zu fühlen.«
Nachdem sie mit der Versorgung der Verletzten fertig war, wozu auch die Verabreichung eines schlaffördernden Heiltranks mit Mohnsaft gehörte, hatte Griseldis sich von der vorhin so auskunftsfreudigen Dienerin Sybillas in die Gemächer des Hausherrn führen lassen. In Wahrheit war sie noch längst nicht mit ihm fertig…
Als sie anschließend auf ihrer lammfrommen Stute den zweieinhalbstündigen Heimritt antrat, war sie halbwegs zufrieden mit dem Erreichten. Nur der Tatsache, dass sie sich nicht hatte einschüchtern lassen, war es zu verdanken, dass der immer noch vor Wut schäumende Edelmann ihr zuletzt in die Hand versprochen hatte, seine Frau Sybilla künftig in Ruhe zu lassen. Ja, er hatte ihr sogar geschworen, diese Burg für immer zu verlassen und in einer seiner übrigen Burgen – ohne seine Gemahlin – Wohnung zu nehmen.
Die Verhandlungen waren schwer gewesen. Erst als Griseldis gedroht hatte, ihn und seinen Geliebten bloßzustellen wegen seiner von GOTT und der Kirche sowie den meisten normal empfindenden Menschen nicht akzeptierten Beziehung, war er zu den verlangten Zugeständnissen bereit gewesen.
Im Gegenzug dazu hatte sich die Heilerin feierlich dazu verpflichtet, keiner Menschenseele jemals zu verraten, was sie über ihn und seinen heimlichen Liebhaber wusste.
Jetzt war sie vollkommen erschöpft und sehnte sich eigentlich nur danach, sich auf ihrem Lager auszustrecken und die Augen zu schließen. Was ihr heute widerfahren war, hatte sie zutiefst erschreckt.
Als ihr Vater Berchtold freudestrahlend von der Verwandlung seines Heimatklosters von einem Sündenpfuhl in eine Stätte des Glaubens und der Gelehrsamkeit berichtete, kam sie nicht umhin, sich mit ihm zu freuen. Sie brachte es nicht übers Herz, ihn einfach wegzuschicken…
KAPITEL 44
D ER B ENEDIKTINER HATTE heute noch mehr auf dem Herzen und Griseldis war eine gute Zuhörerin. Es handelte sich wieder einmal um die Kinderlosigkeit des Königspaares.
Der König hatte sich mit den Jahren auch den Respekt seiner anfänglichen Gegner erworben; und Königin Kunigunde war es gelungen – im Gegensatz zu ihrer unbeliebten und anmaßenden Lützelburger Sippschaft –, die Herzen der Menschen zu gewinnen. Alle schätzten die Sanftmut und das einfühlsame Wesen der Herrscherin sowie deren Klugheit. Nicht umsonst hatte sie Heinrich zur Mitregentin auserwählt. In beider Ehe gab es, bis auf Kleinigkeiten, keine Misshelligkeiten. Der König hörte im Allgemeinen auf seine gebildete Frau, die wahrlich ein ausgesprochen edles Gemüt besaß.
Nach dem Urteil ihrer Zeitgenossen bildeten sie auch äußerlich ein schönes Paar: Beide waren sie mittelgroß und schlank. Kunigunde hatte langes, üppiges Blondhaar und große, leuchtend blaue Augen und Heinrich war ein humorvoller und energischer junger Mann mit lebhaften, dunkelbraunen Augen und lockigem, braunem Haar.
»Nur einen einzigen bitteren Punkt gibt es in ihrer Ehe, der beide zutiefst betrübt: ihre Kinderlosigkeit«, sagte Vater Berchtold und seufzte tief. »Seit Jahren will sich einfach kein Nachwuchs einstellen. Allem Fasten und Beten, allen Spenden für die
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