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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Missgeburt! Wann würde er
endlich vom Pferd fallen und sich den Hals brechen? Am liebsten hätte
sie den Jungen eigenhändig vergiftet. Doch da er stets von
seinen Ausbildern und Pagen umringt war, konnte sich ihm niemand
unbemerkt nähern. Sie schluckte den bitteren Geschmack in ihrem
Mund und nahm den hochfahrenden Sohn des Sultans in Augenschein.
Anders als sein Vater, war der Knabe schlank und zierlich, doch die
Grausamkeit in seinem Blick war von gänzlich anderer Güte
als die des Padischahs .
Während Bayezid aufbrausend war wie ein Unwetter in den Bergen,
strahlte Mehmet eine distanzierte Leidenschaftslosigkeit aus, die für
einen Jungen seines Alters unheimlich war. Wie immer, wenn sie den
Bengel zu genau betrachtete, spürte sie, wie ihr Blut erkaltete.
Sollte es ihr tatsächlich gelingen, einen Sohn von Bayezid zu
empfangen, würde sie sich zuallererst den Prinzen Mehmet vom
Hals schaffen müssen. Ansonsten würde dieser ihren Spross
ausreißen und zertrampeln, als ob es sich um ein Büschel
Unkraut handelte. Schaudernd verfolgte sie, wie der Sultan den
Griechen einige Male umrundete, bevor er ihn auf die Beine zerren
ließ und einen juwelenbesetzten Dolch zog. »Es wird Zeit,
dass du lernst, Spione zu befragen«, wandte er sich an seinen
Sohn und hielt ihm die Waffe auf der Handfläche entgegen.
        Mit
steinerner Miene verneigte sich der Junge vor seinem Vater, griff
nach dem Dolch und ließ diesen einige Augenblicke lang die
Sonne einfangen. Dann gab er den Janitscharen zu verstehen, den Mann
zu entkleiden und an einen Pfahl zu binden, der eigens zu diesem
Zweck in den trockenen Boden getrieben worden war. »Wollt Ihr
eine schnelle oder eine aufrichtige Antwort?«, fragte er den
Sultan, um dessen Mund ein stolzes Lächeln spielte. »Das
überlasse ich ganz dir«, gab Bayezid ermunternd zurück
und befahl seinen Männern, dem Knaben Platz zu machen.
Selbstsicher und fast schon andächtig trat dieser auf den
nackten Gefangenen zu, dessen Muskeln sich in Erwartung eines
Streiches spannten. Doch anstatt die Klinge in seine Weichteile zu
bohren, wie Olivera es vermutet hatte, reckte sich der Prinz zu
seiner vollen Größe empor und blendete den Griechen mit
einer blitzschnellen Bewegung. Der Schrei, der dabei durch das Lager
gellte, ließ Olivera die Haare zu Berge stehen. Aber sie zwang
sich, die Befragung weiter zu verfolgen. Immerhin hatte sie schon
Schlimmeres gesehen, als ihr Volk von Bayezid unterworfen worden war!
Sie richtete den Blick zurück auf den brüllenden Griechen.
Dort, wo eben noch ein Auge gewesen war, klaffte jetzt ein
fleischiges Loch, aus dem das Blut in Strömen seine Wange
hinunterlief. »Wohin hat sich dein Herr verkrochen?«,
erkundigte sich der Prinz im Plauderton und wischte die Waffe an
einem Tuch ab, das ein Page ihm reichte. Da der Gefangene jedoch
lediglich ein unartikuliertes Blubbern von sich gab, hob der Junge
die Klinge abermals zu dessen Gesicht und drehte sie abwägend
hin und her – als müsse er darüber nachdenken, was er
als Nächstes tun sollte. »Du kannst entweder schnell oder
langsam sterben«, bemerkte er ausdruckslos. »Wenn du mir
sagst, was ich wissen will, geht der nächste Stich direkt ins
Herz.« Er ließ seine Worte einige Augenblicke lang
wirken. »Andernfalls verlierst du erst dein zweites Auge, dann
mache ich mit deiner Nase weiter, und dann gehe ich zu deinen Ohren
über.« Er verzog den Mund und sah zu einem hochrangigen
Janitscharen auf. »Und der Agha hatte versprochen, mir zu
zeigen, wie man seinen Feinden die Haut abzieht.«
        Von
Ekel erfüllt zog Olivera sich ins Innere des riesigen Zeltes
zurück und verschloss die Ohren vor den Schreien, die allerdings
schon bald zu einem kaum vernehmlichen Winseln abflauten. Was auch
immer geschah, sie würde alles daran setzen, um das Kind, das in
ihr wuchs, vor dieser Bestie zu schützen. Denn mit jedem Tag,
der verstrich, war sie sich sicherer, dass sie endlich empfangen
hatte. »Bring mir Wein«, herrschte sie ihre ungelenke
Zofe an, der anzusehen war, dass sie das lautstarke Schauspiel vor
dem Zelt ebenfalls bis ins Mark erschütterte. Vielleicht kannte
sie den Mann sogar, dachte Olivera mit einem Anflug von Mitgefühl.
Immerhin war sie erst vor kurzer Zeit von den Vorreitern des Sultans
gefangen und ins Lager gebracht worden. Sie fasste das junge Ding ins
Auge. Die Kleine konnte von Glück sagen, dass Olivera sie als
Dienerin ausgewählt hatte, da sie ansonsten das Schicksal

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