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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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zu
Fall gebracht hätte? Der Funken der Wut sprang von ihrem Geist
auf ihren Körper über, und sie schnaubte zornig. Wie dumm
von ihr anzunehmen, dass die Schlange aus ihrer Mitte verschwunden
war, nur weil sich in letzter Zeit keine weiteren Vorfälle
ereignet hatten. Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können,
sich in Sicherheit zu wiegen? Der Zorn verwandelte sich in blinde
Feindseligkeit; und ohne an die Folgen ihres Tuns zu denken, wischte
sie sich die Angsttränen aus dem Gesicht, rappelte sich auf und
stolperte aus dem Raum.
        Inzwischen
wimmelte der Korridor von Schaulustigen, da sich Neuigkeiten im Harem mit der Geschwindigkeit eines
Lauffeuers verbreiteten. Dicht gedrängt strömten Hofdamen,
Konkubinen und Dienerinnen zur Audienzkammer der Sultansmutter, deren
zweiflügelige Tür von vier Posten flankiert wurde. Als habe
auch sie nichts anderes im Sinn als zu gaffen, reihte Sapphira sich
in die Menge ein, fing jedoch nach wenigen Schritten eine der
einfachen Jariyes ab.
»Lauf und hol die Tabibe. Sag ihr, es geht um Leben und
Tod!« Sobald das Mädchen davongestoben war, nahm sie allen
Mut zusammen, zupfte den Schleier auf ihrem Kopf zurecht und folgte
den anderen Frauen an den Wächtern vorbei in das Reich der Valide .
Der Anblick, der sich ihr in dem prunkvollen Raum bot, ließ sie
erstarren. Wie Bülbül vor nicht allzu langer Zeit, lag
Gülbahar vor der Sultansmutter auf den Knien, während diese
mit eisigem Blick auf sie hinabstarrte. Mit spitzen Fingern
schleuderte sie die Börk neben dem Mädchen auf
den Boden und fuhr es scharf an: »Wie erklärst du, dass
dieses Ding unter deinem Bett gefunden wurde? Willst du mich mit
deinen Lügen beleidigen?« Atemlos sah Sapphira mit an, wie
die Freundin beschwörend die Hände hob und wortlos den Kopf
schüttelte. »Weißt du, welche Strafe dir droht?«
Die grauen Augen der Sultansmutter glänzten wie polierte
Kieselsteine. »Antworte!«, herrschte sie die junge Frau
an und bedeutete zwei Bewaffneten, sich hinter ihr aufzubauen. »Ja«,
hauchte Gülbahar so leise, dass man es in dem riesigen Raum kaum
hören konnte. »Ganz gleich, wie verstockt du bist«,
zischte die Valide, »glaube
mir, schon bald wirst du dir nichts sehnlicher wünschen als zu
gestehen.« Sie hob die beringte Hand und schnippte mit den
Fingern, woraufhin die Wachen ihre Lanzen auf Gülbahar
richteten. Ohne zu zögern, drängte Sapphira sich an den
anderen Frauen vorbei und trat in den Kreis, den die Schaulustigen um
die Gefangene gebildet hatten. »Gebieterin«, stieß
sie mit unsicherer Stimme hervor und sank vor der Valide nieder. Nachdem sie die
Fliesen mit ihrer Stirn berührt hatte, richtete sie sich wieder
auf und flehte: »Vergebt mir, aber ich kann nicht schweigen,
wenn eine Unschuldige verurteilt wird.« Sie zog den Kopf ein,
als sie die drohende Präsenz eines Bewaffneten hinter sich
spürte. Einige quälend lange Sekunden geschah gar nichts.
Doch dann verengten sich die Augen der Sultansmutter, und sie näherte
sich Sapphira mit einem beinahe genüsslichen Ausdruck auf dem
faltigen Gesicht. »Willst du damit sagen, dass du dich als ihre
Fürsprecherin anbietest?«, fragte sie eisig und zog die
gezupften Brauen in die Höhe. »Ja, Herrin«,
entgegnete Sapphira mit belegter Stimme, da sie wusste, worauf die Valide hinauswollte.
Sollte Gülbahars Schuld tatsächlich bewiesen werden, dann
drohte auch ihr eine harte Bestrafung.
        Die
Sultansmutter wollte gerade etwas hinzufügen, als ein Raunen
durch die Versammlung ging und die Tabibe sich durch die Reihen nach
vorn schob. Ehrerbietig trat sie vor die mächtigste Frau im Harem, legte
die Fingerspitzen an Stirn und Brust und verneigte sich tief. Mit
einem einzigen Blick schien sie die Situation zu erfassen, da sie
zwar respektvoll, aber mit fester Stimme verkündete: »Ich
verbürge mich für die Unschuld dieser Mädchen!«
Durch den unerwarteten Widerstand vor den Kopf gestoßen,
runzelte die Valide die
Stirn und fasste die Heilerin streng ins Auge. »Seid Ihr
sicher?«, brachte sie schließlich etwas kratzig hervor,
da die Situation Gefahr lief, ihrer Kontrolle zu entgleiten. Wenn sie
sich vor ihren Hofdamen nicht zum Narren machen wollte, musste sie
entweder auch das Leben der Tabibe bedrohen oder vor der
Herausforderung kapitulieren. »Ganz sicher«, versetzte
die Heilerin ruhig und wies auf die Kappe. »Das hat einer der
Soldaten im Hospital vergessen. Die Cariyesi hat es auf meinen Befehl hin
aufbewahrt.«

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