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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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will?«,
erkundigte Lutz sich mit belegter Stimme, obwohl ihm das flaue Gefühl
in seinem Magen sagte, dass er es eigentlich schon wusste. »Nein«,
erwiderte Jak gleichgültig und hielt dem Apfelschimmel ein
Stückchen Karotte vor die Nase. »Er war nur sicher, dass
Ihr ihn auf alle Fälle sehen wolltet.« Das Tier schnappte
nach dem Leckerbissen und zerkaute ihn genüsslich. »Hat
sich nicht abwimmeln lassen.« Mit einem Mal schien die Luft im
Stall zu dünn und jeder Atemzug schmerzte. Ein Pferd!, dachte Lutz beklommen. Er räusperte sich. »War er
allein?« Wenngleich er die Antwort eigentlich kannte,
zerschmetterte das Nicken des Knechtes auch den winzigen Rest
Zuversicht, den er sich so mühsam bewahrt hatte. »Der Herr
sei ihm gnädig«, wisperte er und schüttelte den
Schwindel ab, der ihn plötzlich übermannte. »Wie alt
war er?«, setzte er rau hinzu. »Schwer zu sagen. Etwa
dreißig oder fünfunddreißig«, gab Jak zurück
und ließ von dem Schimmel ab. Irgendwo tief in Lutz’
Herzen flackerte Zorn auf, loderte empor und griff um sich wie ein
Waldbrand im Hochsommer. »Dieser Hundsfott!«, presste er
zwischen den Zähnen hervor und ballte die Fäuste. »Dieser
verfluchte Sohn einer Hure!«

    *******

    Im ersten
Stock des Wohnhauses nippte Otto gelassen an dem süßen
Pflaumenwein, den ihm die schüchterne Magd zusammen mit einem
Korb Brezeln und einer Platte Käse gereicht hatte. Nachdem er
bereits sämtliche Gegenstände im Raum begutachtet hatte,
kam allmählich Langeweile auf – auch wenn er sich keine
Sekunde lang vormachte, dass er die Begegnung mit dem Verwalter auf
die leichte Schulter nehmen konnte. Vor den bunt verglasten Fenstern
ging inzwischen die Welt unter, und Otto war froh, dass er ein Dach
über dem Kopf hatte. Zufrieden blickte er auf das versiegelte
Dokument hinab, das er auf dem Tisch platziert hatte. Nachdem sein
Plan, sich in den Betrug des Piraten mit einzukaufen, daran
gescheitert war, dass ganz Venedig wegen einer Pestepidemie unter
Quarantäne stand, hatte er sich halb erleichtert, halb
enttäuscht auf den Rückweg über die Alpen gemacht;
allerdings nicht, ohne vorher dem Beispiel seines Neffen zu folgen
und in Trient sein Bargeld gegen eine Bankgarantie einzutauschen.
Unbehelligt von Strauchdieben und Wegelagerern, war er der Via
Claudia Augusta zurück bis nach Reutte gefolgt – vorbei an
ausgestorbenen und niedergebrannten Dörfern, welche die
eindeutigen Spuren der Inquisition trugen. Als er endlich erleichtert
und voller Vorfreude das Kloster Herbrechtingen erreicht hatte, hatte
ihm der Tod des Fälschers Protervus beinahe einen Strich durch
die Rechnung gemacht. Doch der junge Nachfolger, Honestus, stand
seinem Lehrer in keinster Weise nach. Otto lachte lautlos. Wer hätte
gedacht, dass er einmal davon profitieren würde, dass sein Vater
so dumm gewesen war, seinem Bastard den eigenen Siegelring zu
schenken? Beinahe liebevoll betrachtete er den in Wachs verewigten
buckelnden Kater Katzensteins. Wie sollte jemand erkennen, wessen
Ring es gewesen war, der die Urkunde mit diesem Zeichen verschlossen
hatte? Wie gut, dass er sich keinen Knappen leisten konnte, der mit
ihm auf die Reise gegangen war! So brauchte er wenigstens keinen
Mitwisser zu fürchten.
        Das
Knallen einer Tür im Erdgeschoss ließ ihn den Becher
abstellen und die Schultern straffen. Keine halbe Minute später
trampelte jemand die Treppe hinauf, und kurz darauf erschien der
wutschnaubende Verwalter im Rahmen. »Wo ist Falk?«, fuhr
er Otto an und trat drohend auf ihn zu. Deutlich sichtbar zuckte ein
Muskel in seiner Wange. »Was habt Ihr mit ihm gemacht?«
Darauf bedacht, dass sein Gegenüber die Geste bemerkte,
platzierte Otto die Hand auf seinem Schwert und reckte mit gespielter
Empörung das Kinn. »Ich ahnte, dass Ihr so reagieren
würdet«, versetzte er bitter und legte ein schmerzliches
Zittern in seine Stimme. »Von Anfang an habt Ihr mir nichts als
unlautere Absichten unterstellt.« Um ein Haar hätte er
sich selbst geglaubt, dass ihn die Kränkung tief traf. Er stieß
einen Seufzer aus und hob in einer Geste der Machtlosigkeit die
Schultern. »Der Zug wurde von Piraten überfallen, als wir
…« Der Rest des Satzes ging in dem kehligen Schrei des
Verwalters unter. Ohne Vorwarnung – das Gesicht zu einer Maske
der Wut verzerrt – ballte Lutz die Hände zu Fäusten
und wollte sich auf Otto stürzen. Auf eine solche Reaktion
vorbereitet, befreite dieser jedoch behände die Waffe aus

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