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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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der
Scheide und fing die Attacke ab, indem er dem Älteren mit aller
Kraft die flache Seite der Klinge gegen die Brust schmetterte.
»Zwingt mich nicht dazu, Euch ernsthaft zu verletzen«,
riet er kühl, während Lutz sich mit verzerrtem Gesicht
zusammenkrümmte. Mit der Zielsicherheit langjähriger Übung
hatte Otto die empfindliche Stelle direkt zwischen den Rippenbögen
getroffen, die ungeschützt selbst den erfahrensten Kämpfer
fällen konnte. »Warum hört Ihr mich nicht erst an?«,
fragte er scheinbar versöhnlich und holte tief Luft, als der
Verwalter nichts darauf antwortete. »Wir hatten schon beinahe
die halbe Strecke hinter uns«, wiederholte er die Worte, die er
während der langen Reise so oft geübt hatte, »als wir
nachts von Seeräubern überfallen wurden.« Um zu
verhindern, dass Lutz ihm ins Wort fiel, sprach er hastig weiter.
»Falk hat gekämpft wie ein Löwe, aber gegen diese
Bestien hatte er keine Chance.« Erneut ließ er seine
Stimme beben. »Er und fünfzig andere wurden an Ort und
Stelle beerdigt. Ich verdanke mein Leben lediglich der Tatsache, dass
die Kerle dachten, ich sei tot.« Er zog am Kragen seines
Rockes, um Lutz die verheilte, oberflächliche Wunde zu zeigen,
die er sich selbst beigebracht hatte. Gerade tief genug, um zu
verschorfen, zog sich ein hässlicher rot-brauner Striemen über
seine Kehle.
        »Ich
glaube Euch kein Wort!«, spuckte Lutz aus und sackte auf einen
Schemel. »Kein Wort!« Seine dunklen Augen schwammen, aber
das krampfhafte Ballen seiner Fäuste verriet, dass es in ihm
kochte. »So etwas in der Art hatte ich schon vermutet«,
erwiderte Otto, mit einem Mal frostig, und schob ihm das Dokument zu.
Offenbar konnte er sich die Mühe sparen, den Mann überzeugen
zu wollen. Eine Seite seines Mundes wanderte geringschätzig nach
oben. Einen Versuch war es wert gewesen. Er kniff die Augen zusammen
und maß sein Gegenüber mit Blicken. Es hätte die
Angelegenheit um so vieles erleichtert, wenn der Kerl mitgespielt
hätte! Das hätte Otto sich sogar einiges kosten lassen. So
allerdings, half wohl nur noch der Holzhammer. »Ihr könnt
doch lesen, oder?«, fragte er – wohl wissend, dass er den
Verwalter damit beleidigte. »Dann solltet Ihr Euch schleunigst
diese Urkunde ansehen.« Er hielt sie Lutz mit spitzen Fingern
vor die Nase und wartete, bis dieser nach dem Papier griff. »Was
für eine Teufelei habt Ihr ausgeheckt?«, zischte der
grauhaarige Ulmer nach einigen Atemzügen schließlich und
brach das Siegel. Seine Lippen bewegten sich lautlos, während er
den Inhalt des Dokumentes überflog. Als er an der Stelle
angekommen war, in der Falk angeblich seinem Onkel all sein Hab und
Gut vermachte, erbleichte er und kam mit einem Satz auf die Füße.
»Eine Schenkung?«, fragte er heiser. »Ihr wollt mir
weismachen, dass dieses Schriftstück von Falk stammt?«
Seine Nasenflügel blähten sich gefährlich. Doch auch
damit hatte Otto gerechnet. Mit großer Geste zückte er
deshalb seinen Trumpf und ließ diesen vor Lutz auf den Tisch
segeln. »Auch ich habe eine Schenkungsurkunde in Falks Namen
erstellt. Dieser Einfall kam uns, nachdem wir in den Alpen von
Wegelagerern ausgenommen wurden.« Ein Anflug von Schadenfreude
huschte über seine Züge. »Und falls Ihr bezweifelt,
dass das Falks Handschrift ist«, setzte er hinzu und angelte
den Brief seines Neffen aus der Tasche, »dann habe ich hier
eine Schriftprobe für Euch.« Er fletschte die Zähne
zu etwas, das man für ein Lächeln hätte halten können.
»Aber Ihr kennt seine Hand sicherlich besser als ich.«
        Nachdem
Lutz alle drei Dokumente eins ums andere Mal gelesen und im
Kerzenlicht in Augenschein genommen hatte, schleuderte er sie Otto
schließlich vor die Füße und versetzte mit
steinernem Gesicht: »Wenn Ihr denkt, dass ich Euch diese
Fälschungen abkaufe, habt Ihr Euch getäuscht.« Seine
Stimme hätte Glas geschnitten. Ein hartes Funkeln trat in seine
Augen, als er sich Otto bis auf zwei Schritte näherte. »Bevor
Ihr einen Fuß in dieses Haus setzt«, knurrte er, »friert
die Hölle ein!« Ottos Waffenhand schloss sich so heftig um
den Griff seines Schwertes, dass die Knöchel weiß
hervortraten. Was, zum Henker, dachte sich dieser Kerl?! »Und
wie genau wollt Ihr mich davon abhalten?«, fragte er den
hochgewachsenen Verwalter nach einigen mühsam beherrschten
Augenblicken zynisch. »Denkt Ihr im Ernst, dass Euer armseliges
Wort auch nur das Geringste wert ist? Wollt Ihr vielleicht

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