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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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der Sultan die Lippen. Während
er einem gefliesten Weg durch den Trakt seiner Mutter folgte, stahl
sich ein Lächeln der Vorfreude auf sein Gesicht. Noch niemals
zuvor hatte er ein Mädchen von solchem Glanz, solcher Anmut und
Vollkommenheit gesehen! Lippen, rot wie Karneole, und Zähne,
aufgereiht wie Perlen in einer Fassung aus Korallen. Am liebsten
hätte er sich die Finger geleckt, als er sich vorstellte, wie er
ihren Bauchnabel mit Behennussöl füllen würde. In
Gedanken versunken ignorierte er die vor ihm niedersinkenden
Dienerinnen und Hofdamen, welche zum Haushalt der Valide gehörten,
und malte sich aus, was die Nacht für Genüsse bringen
würde. Zwar war es Tradition, dass die Sultansmutter die
zukünftigen Konkubinen ihres Sohnes ausbildete und diesem
vorführte, doch hatte er dieses eine Mal eine Ausnahme machen
müssen. Denn all die Mädchen, welche die Valide Sultan in letzter Zeit ausgewählt hatte, waren langweilige,
unterwürfige Dinger gewesen, bei denen er sich ein Gähnen
nicht hatte verkneifen können. Ganz anders diese Sklavin! Ein
heißes Gefühl der Lust fuhr ihm in die Lenden. Er wusste,
dass seine Mutter es zweifelsohne als Beleidigung auffassen würde,
dass er sie übergangen und den Kizlar Agha ausgeschickt
hatte, doch das war ihm im Moment vollkommen gleichgültig. Was
zählte war nicht nur, dass er der Ruhelosigkeit in seinem
Inneren mit einer langen, ausgiebigen Liebesnacht Abhilfe schaffte,
sondern auch, dass er seiner Gemahlin, Maria Olivera Despina, eines
auswischte. Sein Lächeln erstarb, und eine tiefe Falte grub sich
zwischen seine Brauen, als ihm klar wurde, dass diese Motivation
eines Herrschers unwürdig war. Von einem Weib zu einer Tat
getrieben, die ihm zwar momentanes Vergnügen bereiten würde,
die jedoch weder aus Vernunft noch Souveränität erwachsen
war! Mit einem grimmigen Laut raffte er den bauschenden Stoff seines
Kaftans und eilte weiter, bis er seine Zimmerflucht im Nordflügel
des Palastes erreicht hatte. Einem Weib, das ihn in den vergangenen
Monaten und Jahren bereits dazu gebracht hatte, alle Vernunft und
staatsmännische Umsicht in den Wind zu schlagen.
        Das
Hochgefühl, das ihn noch vor wenigen Augenblicken beherrscht
hatte, wie weggewischt rauschte er an seiner bis an die Zähne
bewaffneten Leibgarde vorbei und herrschte seine Bediensteten an,
bevor diese sich vor ihm zu Boden werfen konnten: »Lasst mich
allein!« An die Launen ihres Herrn gewöhnt, huschten die
Knaben und Eunuchen wie Schatten an den Wänden entlang hinaus
und waren verschwunden, noch bevor Bayezid geblinzelt hatte. Als sich
die mit zahllosen Goldbeschlägen überladene Tür
lautlos hinter ihnen geschlossen hatte, trat er grübelnd an
eines der von Arabesken umrankten Fenster, welche bei guter Sicht den
Blick auf das Marmarameer freigaben. Manchmal bildete er sich sogar
ein, Konstantinopel sehen zu können, doch das war kaum möglich
– lag die belagerte Stadt doch mehr als sechzig Meilen nördlich
von Bursa. Der Duft des unter ihm blühenden Rosengartens
beruhigte ihn ein wenig, und er atmete mehrere Male tief ein und aus.
Trotz der Jahreszeit brannte die Sonne bereits erbarmungslos von
einem wolkenlosen Himmel, der in der Ferne mit dem Horizont
verschmolz. Mit einer ungeduldigen Handbewegung versuchte er, die
Gedanken an Olivera zu vertreiben und fuhr mit der Rechten in seinen
gestutzten, dunkelblonden Bart. Selbst jetzt, da er sich einen Ersatz
besorgt hatte, erfüllte allein die Erinnerung an ihr
engelsgleiches Gesicht, ihre veilchenblauen Augen und ihre kühle
Schönheit ihn mit Begierde. Er stöhnte. Wie um alles in der
Welt hatte es dazu kommen können, dass die junge Frau, die er
vor elf Jahren von ihrem Bruder als Friedenspfand erhalten hatte, ihn
eingewickelt hatte wie einen unerfahrenen Jüngling? Ihn
bezaubert hatte wie eine Ifritin ,
eine weibliche Dschinni ?
» Bismillah «,
murmelte er – wohl wissend, dass ihn diese Formel weder aus der
Nähe noch aus der Ferne vor ihren Reizen schützen konnte.
        Hätte
er sich damals doch nur nicht dazu überreden lassen, sie zu
heiraten!, dachte er verdrießlich, während seine Gedanken
zu dem Tag der Schlacht zurückwanderten, an dem er nicht nur
seinen Vater, sondern auch seinen Bruder Yakub verloren hatte. Seinen
Vater auf dem Schlachtfeld im Kosovo, seinen Bruder durch die eigene
Hand. Die Kälte, die seit einiger Zeit von ihm Besitz ergriff,
wann immer er an Yakub dachte, breitete sich in seiner Brust aus.
Zwar

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