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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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zu seinen
Sklaven, und das Geschrei der geraubten Jungfrauen hat Allah sein
Antlitz verhüllen lassen.
        Der
Feind hat sich wieder nach Osten zurückgezogen, doch wir stehen
vor Ruinen. Befehlt, was geschehen soll und ich werde gehorchen wie
es sich für einen Sohn ziemt.
     
        Ich
erflehe Eure Vergebung, mächtiger Sultan.
     
        Untertänigst
        Suleyman.«

    Die Hand,
die den Brief hielt, zitterte. »Todesmutig«, schnaubte er
und ließ das Schreiben angeekelt zu Boden fallen. »Wenn
sie sich wirklich todesmutig zur Wehr gesetzt haben, warum, bei allen Shaitans, sind sie dann noch am Leben?« Er spürte,
wie eine Ader an seiner Schläfe zu pochen begann. Wäre sein
Sohn nicht ein solch jämmerlicher Nichtsnutz, dann hätte er
diesem tatarischen Ungeziefer so lange die Stirn geboten, bis Bayezid
mit seiner Streitmacht dem Übel ein für alle Mal ein Ende
bereitet hätte! Er ballte die Fäuste. Am liebsten hätte
er Suleyman höchstpersönlich den Kopf abgeschlagen als Lohn
für seine Feigheit. »Lasst sofort Befehl geben wieder
aufzubrechen«, herrschte er den Großwesir Ali Pasha an.
»Wenn wir uns beeilen, können wir diesem räudigen
Hund Timur in den Rücken fallen und ihn vernichten.« Roter
Nebel schien ihn einzuhüllen und von außen in sein
Blickfeld zu kriechen. »Worauf wartet Ihr noch?«, wütete
er, als Ali Pasha sich nicht vom Fleck rührte, sondern sich
demütig vor ihm verneigte. »Auch wenn Ihr mich auf der
Stelle tötet, Sultan Bayezid Khan«, sagte der graubärtige
Großwesir ruhig, »ist es meine Pflicht, Euch vor einer
Entscheidung zu warnen, die im Zorn gefällt wurde.« Der
rote Schleier verdichtete sich und raubte Bayezid die Sicht. Außer
sich vor Ingrimm trat er auf den Älteren zu und beugte sich zu
ihm hinab. Warum fürchtete sich niemand mehr vor ihm? Zitternd
widerstand er der Versuchung, Ali Pasha vor den Augen seines Diwans
eigenhändig zu erdrosseln, auch wenn es ihn beinahe
übermenschliche Anstrengung kostete.
        »Wenn
es stimmt, was Eure Spione schon vor Monaten berichtet haben«,
fuhr der Großwesir unbeirrt fort, »dann ist Timurs
eigentliches Ziel Damaskus.« Seine kleinen, schwarzen Augen
wanderten nervös zu Bayezids Händen. »Vermutlich hat
ihn nur der Streit um den Prinzen von Kharput dazu veranlasst, Sivas
anzugreifen.« Bayezid richtete sich zu seiner vollen Größe
auf und zwang sich, die Kontrolle über sich wiederzuerlangen.
»Dieser tatarische Emporkömmling hat gerade eine meiner
Städte zerstört, meinen Sohn gedemütigt und mich zum
Gespött gemacht, und ich soll ihn tatenlos wieder abziehen
lassen?«, fragte er durch die Zähne. »Ist es das,
was Ihr vorschlagt?« Seine Stimme drohte zu kippen. Sein
Großwesir schluckte vernehmbar und nickte. »Ja, Gebieter,
das schlage ich vor.« Bevor Bayezid etwas darauf erwidern
konnte, setzte er tapfer hinzu: »Anstatt Eure Kräfte
darauf zu verschwenden, gegen den Tataren zu ziehen, solltet Ihr die
Verhandlungen mit ihm wiederaufnehmen und alles daran setzen,
Konstantinopel zu erobern. Denn wenn diese Stadt erst Euch gehört,
dann kann Euch niemand mehr aufhalten.« Bayezids Augen
verengten sich, und er musterte Ali Pasha von oben bis unten. Auch
wenn er es sich nicht gerne eingestand, wusste er, dass der alte Mann
recht hatte. Eine Zeit lang rang er mit sich, ob er sich dieses
Zeichen der Schwäche vor seinem Diwan erlauben konnte. Doch dann
holte er tief Luft, verschränkte die Hände hinter dem
Rücken und stieß resigniert hervor: »Mein Vater
hätte vermutlich auf Euch gehört.« Das Knarzen von
Leder und das Rascheln von teurem Stoff verrieten, dass die übrigen
Wesire und Aghas sich
entspannten. »Ich werde Suleyman und seinem Geschmeiß
befehlen, augenblicklich die Truppen vor Konstantinopel zu
verstärken. Aber sobald die Stadt gefallen ist, werde ich den
Zorn aller bösen Geister heraufbeschwören und diesen Timur
in die Höllenfeuer stürzen, wo er bis ans Ende aller Tage
brennen soll!«
        Da
ihm bereits wieder der Kamm schwoll, bedachte Bayezid die Versammlung
mit einem letzten vernichtenden Blick, wirbelte herum und stürmte
aus dem Raum. Im Freien angekommen, verscheuchte er seine Leibpagen
und lenkte sich einen Moment lang damit ab, dem Brüllen der
Janitscharenausbilder zu lauschen. Wenigstens die Knabenlese war ein
Erfolg gewesen!, dachte er erbittert. Das Surren der Pfeile und das
Klirren von Krummschwertern gab ihm eine gewisse Ruhe zurück.
Was war eine Niederlage
schon

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