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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Erbitterung über die Undankbarkeit dieses
Gesindels überkommen konnte, lenkte ein unterdrückter Fluch
gefolgt von einem dumpfen Krachen seine Aufmerksamkeit auf das Dach
seines Stalles. Dort krochen vier Gestalten mit Hämmern in den
Händen in Richtung First, und alle paar Augenblicke schleuderte
einer von ihnen eine schadhafte Schindel auf den Misthaufen im Hof.
Da es ihm – ganz egal wie sehr er sich den Kopf zermarterte –
noch nicht gelungen war, einen Schlachtplan gegen Lutz Metzler zu
schmieden, hatte er beschlossen, sich erst einmal den nötigen
Reparaturen auf Katzenstein zu widmen. An vielen Stellen war
Ausbesserung mehr als dringend erforderlich. Wenn das Dach der
Stallungen nicht bald geflickt wurde, würde die kalte Jahreszeit
vermutlich den mageren Rest seiner Zucht auslöschen, und das
konnte und wollte er nicht zulassen. Aber es war nicht nur der
Zustand der Burg, der ihm Sorgen bereitete. Er musste schon bald
Tagelöhner finden, die willens waren für ein mageres
Entgelt harte Arbeit zu leisten, damit nicht ein Großteil
seiner Ernte in den Ähren verrottete und der kommende Winter zu
einem Schreckgespenst wurde.
        Er
schürzte die Lippen und schüttelte – verwundert über
sich selbst – den Kopf. Manchmal fragte er sich, was eigentlich
mit ihm los war. Anstatt alles daranzusetzen, dem Feind in Ulm das
Handwerk zu legen, vertrödelte er seine Zeit mit Dingen, für
die eigentlich sein Verwalter zuständig war. Wofür bezahlte
er den Burschen denn, wenn er sich selbst um alles kümmern
musste? Ein Kribbeln ließ ihn die Rechte heben und mit dem
Zeigefinger über den Nasenrücken streichen. Es war Zeit,
den Turm zu verlassen und Schatten zu suchen. Wenn er nicht
aufpasste, verbrannte er sich die Haut in der prallen Sonne genauso
wie auf dem venezianischen Schiff. Unvermittelt verwandelte sich der
blitzblaue Himmel vor seinen Augen in seichtes Wasser, auf dem
zerstückelte Leichen trieben. Ein Gefühl, als fahre ihm
jemand mit einem Eiszapfen über den Rücken, ließ ihn
frösteln, und er presste heftig die Lider aufeinander. Als er
sie nach einigen Atemzügen wieder öffnete, erinnerte nichts
mehr an das furchtbare Trugbild, das das Herz in seiner Brust heftig
hämmern ließ. Wenngleich der Anblick der friedlichen
Landschaft ihm half, sich wieder zu beruhigen, fühlte sich der
Schweiß auf seiner Stirn plötzlich klebrig an. Warum war
es nicht zu vermeiden, dass immer wieder Erinnerungsfetzen scheinbar
aus dem Nichts auftauchten?, fragte er sich gallig, während
seine Finger das Kreuz an seinem Hals betasteten. Lag es daran, dass
seine Seele inzwischen dem Teufel gehörte? Wollte der Herr der
Finsternis ihn daran erinnern, was ihn im Jenseits erwartete? Er ließ
die Hand zurück an seine Seite fallen und wandte sich von den
Zinnen ab. Wenn er nicht aufhörte, sich vor Schatten zu
fürchten, lief er Gefahr, in einem Tollhaus zu enden! Etwas zu
forsch stieß er die niedrige Tür des Bergfriedes auf und
setzte den Fuß auf die oberste Stufe der wackeligen Treppe.
        Vermutlich
war es am besten, sich mit einfachen Dingen zu zerstreuen. Da er sich
noch nicht entschieden hatte, was er mit dem Rest des Geldes anfangen
sollte, das ihm der Verkauf seines Neffen eingebracht hatte,
beschloss er, seine Zucht etwas genauer in Augenschein zu nehmen.
Seit seiner Abreise im Frühjahr hatten einige Stuten gefohlt,
weshalb die Dinge nicht so schlecht standen wie befürchtet. Sein
Mund verzog sich zu einer schmalen Linie. Vielleicht sollte er neben
den Reparaturarbeiten mit dem Ausbau der Stallungen beginnen. Sobald
es ihm gelang, Falks Zucht in die Hände zu bekommen, würde
der Platz nicht mehr ausreichen. Ein Geistesblitz ließ ihn
mitten im Schritt innehalten. Was, wenn seine Besessenheit von der
bezaubernden Helwig ein Wink des Schicksals war? Er schnalzte
nachdenklich mit der Zunge. Konnte es sein, dass die Lösung für
all seine Probleme bei ihr zu suchen war? Ein Tritt mit der
Stiefelspitze ließ die Tür im Erdgeschoss des Bergfriedes
gegen die Wand krachen. »Walko«, brüllte er und
stemmte die Hände in die Hüften. Als einer seiner Burschen
über den Hof gestoben kam, herrschte er ihn an: »Reite ins
Dorf und frag den Schmied, wo Helwig, das Kräuterweib, zu finden
ist. Dann nimm zwei der Bauern und bring sie zu mir!« Er
zögerte einen kaum merklichen Moment, bevor er hinzusetzte:
»Wenn sie sich weigert, sag ihr, dass sie nichts zu befürchten
hat. Es wird ihr kein Leid geschehen.«

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