Die Heilerin des Sultans
im Vergleich zu dem, was er in den vergangenen Jahren erreicht
hatte. Hätte er der Versuchung widerstanden, Theodor Palaiologos
in Griechenland eine Lehre zu erteilen, dann wäre es jetzt
Timur, der mit eingezogenem Schwanz davonschlich, nicht Suleyman! Die
Verachtung für seinen Sohn trieb ihm erneut das Blut in die
Wangen. Lag es daran, dass er den Namen des Propheten trug, dass
Mehmet seinem älteren Bruder bereits jetzt überlegen war?
Die Erinnerung daran, wie der Knabe den griechischen Spion befragt
hatte, erfüllte ihn mit einem warmen Gefühl. Vermutlich
hätte Mehmet sich nicht so einfach ins Bockshorn jagen lassen!
Er fuhr sich mit den Handflächen über das Gesicht. Die
staubige Hitze ließ ihn den Schatten einer Reihe von
Dattelpalmen suchen, unter denen einige Vollblüter angebunden
waren. Bald schon würde er Mehmet an die Spitze eines Flügels
stellen können. Wenn der Knabe sich weiterhin so
vielversprechend entwickelte, dann würde er bereits in naher
Zukunft die geschicktesten und härtesten Krieger überflügeln.
Stolz trat an die Stelle von Erbitterung. Vielleicht war es eine
Warnung Allahs gewesen,
nicht zu viel Last auf die Schultern seines ältesten Sohnes zu
legen. Sein Mund zuckte. Vielleicht hatte der Allmächtige ihn
aber auch für seinen Hochmut strafen und ihn daran erinnern
wollen, wie schnell die Waagschale zu seinen Ungunsten kippen konnte.
Ein unangenehmes Kribbeln breitete sich in ihm aus, als er an die
Unausweichlichkeit des Todes dachte. Was würde geschehen, wenn
der Engel ihn über die Brücke führte, die schmaler als
ein Haar und schärfer als ein Schwert war? Würde er
unbeschadet ins Paradies eintreten oder würden ihn seine Sünden
hinab in die Hölle stürzen?
Eine
Gruppe Frauen teilte sich vor ihm und sank demütig zu Boden.
Dankbar für die Ablenkung, ließ er den Blick über
ihre gebeugten Rücken wandern und ertappte sich dabei, wie er
hoffte, Olivera möge unter ihnen sein. Enttäuscht musste er
jedoch feststellen, dass es sich um eine seiner ehemaligen Konkubinen
und deren Hofdamen handelte. Aber die Begegnung entfachte ein
Verlangen in seinen Lenden, das selbst der Ärger über den
Verlust von Sivas nicht auszulöschen vermochte. Begierig
tasteten seine Augen die zu gut verhüllten Rundungen ab, suchten
nach Haut und Formen, die mit Vollkommenheit lockten. Doch nichts,
was er sah, konnte Oliveras Schönheit das Wasser reichen. Mit
neuem Schwung im Schritt raffte er den bauschigen Stoff seines
Kaftans und eilte in den Palast, wo er einem seiner Diener befahl:
»Bring Olivera Despina zu mir!« Kaum war der Knabe
davongeeilt, hob die Vernunft den tadelnden Zeigefinger. Allerdings
nur so lange, bis sich die Tür öffnete und die
engelsgleiche Gestalt seiner Gemahlin auf der Schwelle erschien.
Umrahmt von kunstvoll geflochtenen Zöpfen wirkte das bleiche
Gesicht mit den strahlend blauen Augen heute noch makelloser als
sonst. Und als sie ihn eine Idee zu lange kühl musterte, bevor
sie sich vor ihm verneigte, spürte Bayezid wie jede Faser seines
Körpers Feuer fing. Anders als in Griechenland, wo ihn eine
ungewohnte Lustlosigkeit von ihrem Lager ferngehalten hatte, wirkte
ihr Zauber an diesem Tag in gewohnter Weise. Er vertrieb den Gedanken
an den missglückten Feldzug mit einem unwilligen Kopfschütteln
und trat auf sie zu. Beinahe andächtig ließ er die
Fingerkuppen über die zarte Linie ihres Halses wandern, nachdem
er sie bei den Schultern gefasst und in die Höhe gezogen hatte.
Sein Verstand schrie ihm zu, sie wieder fortzuschicken, sich endlich
von ihren unsichtbaren Fesseln zu befreien und sich einer weniger
gefährlichen Liebschaft zuzuwenden. Aber sein Körper
presste sich an sie, sog ihre Wärme in sich auf und drängte
ihn, eins mit ihr zu werden. Der betörende Duft, der von ihr
ausströmte, machte ihn schwindelig.
»Welchem
Anlass verdanke ich die Ehre, dass Ihr mich zu Euch befehlt?«,
fragte sie und trat provozierend von ihm zurück. Ein kalter
Funke glomm in ihren Augen, denen schwarzer Kohlestift eine
unnatürliche Tiefe verlieh. Der Zauber zerplatzte wie eine
Seifenblase. Ohne Vorwarnung wallte der unterdrückte Zorn wieder
in Bayezid auf, und er musste sich zwingen, das überlegene
Lächeln nicht mit einem Schlag aus ihrem Gesicht zu wischen.
Nicht einmal sein eigenes Weib fürchtete sich mehr vor ihm! Die
Anstrengung, die es ihn kostete, die Fassung zu wahren, malte zwei
rote Flecken auf seine Wangen. Mit knirschenden Zähnen machte
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