Die Heilerin des Sultans
Dieses war – wie die
Silberplatten, -schalen und -schüsseln – eigens für
das heutige Bankett aus der Schatzkammer geholt worden, in der es
auch wieder verschwinden würde, sobald Bayezid sich zurückzog.
Vielen seiner Gäste war anzusehen, dass sie den Genuss von Al-kuhl nicht gewohnt waren, und nur aus Furcht vor dem Zorn
des Sultans gegen das Verbot des Propheten verstießen und
ebenfalls Wein tranken. Am liebsten hätte Bayezid mit dem Finger
geschnippt und sie alle in Luft aufgelöst, doch dazu war selbst
er nicht in der Lage. Anders als erwartet, löschte die
wiederholte Zurschaustellung seiner Macht die Demütigung durch
Timur Lenk nicht aus, und manchmal dachte er, Verachtung in einem
Blickwechsel oder einer Geste zu entdecken. Wenngleich er eigentlich
satt war, griff er nach einem frittierten Gebäckstück, das
den Namen »Frauennabel« trug, und biss hinein. Anders als
die »Lippen der Geliebten«, von denen er zuvor gekostet
hatte, schmeckte ihm diese Leckerei jedoch nicht, und er spuckte sie
unwillig wieder aus. Einer seiner Köche hatte den Zucker darauf
mit zu viel Nelkengeschmack versetzt, und wäre Bayezid nicht zu
träge dafür gewesen, hätte er für seine
Bestrafung gesorgt. So allerdings legte er lediglich den Kopf in den
Nacken und ließ die zahllosen Gastgeschenke vor seinen Augen
verschwimmen. Er wusste, dass er seine Ausschweifungen am nächsten
Morgen bereuen würde. Aber der zunehmend beleidigende
Briefwechsel mit Timur, dem Lahmen, wühlte ihn beinahe mehr auf
als der schändliche Verlust der Stadt Sivas. Verhandlungen!,
dachte er abfällig und suchte die Versammelten nach Ali Pasha
ab, der ihn immer wieder vor hitzigen Entscheidungen warnte. Mit
Verhandlungen hatten die unverhohlenen Drohungen, die sowohl Timur
als auch er hinter einer hauchdünnen Fassade schöner Worte
versteckten, nicht mehr viel zu tun. »Ihr verdankt es lediglich
der Tatsache, dass Euer Reich nicht bedeutend genug ist, um mir zu
schaden, dass ich Euch eine letzte Möglichkeit schenke, Euch so
zu verhalten, wie es Eurem Stand entspricht«, hatte der Tatar
in einem seiner letzten Briefe geschrieben. Der Nelkengeschmack
verwandelte sich in Galle, und Bayezid nahm einen weiteren tiefen
Schluck Wein. Unbedeutend!
Noch
immer fraß die Beleidigung an seinem Stolz. Bald schon würde
er wieder nach Konstantinopel aufbrechen, um dafür zu sorgen,
dass die Belagerung noch weiter verschärft würde. Wenn sein
Sohn Suleyman auch dort versagte, dann würde er ihn in die
entlegenste Provinz verbannen und Mehmet an seine Stelle setzen. Er
zwirbelte gedankenverloren seinen Bart und starrte in den rubinroten
Würzwein, dessen Schaum sich allmählich legte. Mehmet war
die Zukunft, dessen war er sich mehr und mehr sicher. Wenn er den
Knaben richtig einschätzte, würde dieser mit keiner Wimper
zucken, wenn er sich das Recht auf die Thronfolge dadurch sicherte,
dass er sich seiner Brüder entledigte. Bayezid musste nur dafür
sorgen, dass der Ehrgeiz des Jungen ihn nicht zu früh mit
Wünschen erfüllte, die ihm selbst gefährlich werden
konnten. Der Klang der Instrumente verstummte so abrupt, dass er
nicht der Einzige war, der überrascht blinzelte. Die
Geschmeidigkeit, mit der die Tänzerinnen sich vor ihm
verneigten, verscheuchte die Ernsthaftigkeit, und er beugte sich vor,
um die Inderin näher zu betrachten. Pralle Brüste
zeichneten sich unter einem kobaltblauen Gewand ab, das genug erahnen
ließ, um ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen zu lassen.
Vielleicht sollte er seinen Hengst in dieser Nacht zur Abwechslung in
einer anderen Oase der Freude tränken, dachte er. Vor allem, da
Olivera in letzter Zeit ungewöhnlich teilnahmslos war –
oder sich mit ihrer monatlichen Unreinheit entschuldigte. Launisch
wie eine Katze! Bevor der Ärger über Olivera ihm die Lust
rauben konnte, klatschte er in die Hände und bedeutete den
Mädchen, sich zu erheben. »Du«, er zeigte auf die
junge Frau, deren schimmerndes, rabenschwarzes Haar glatt bis zu
ihren Kniekehlen fiel. »Lass dich von der Valide bereit machen.«
Ehrfurcht, Freude und ein Anflug von Angst wechselten sich auf dem
ebenmäßigen Gesicht der Sklavin ab, bevor sie einen Dank
murmelte und sich rückwärtsgehend zurückzog.
Als
auch die übrigen Tänzerinnen durch die vergoldete Pforte
verschwunden waren, hob Bayezid die Tafel auf. Zwischen gebeugten
Rücken hindurch schlenderte er an seinen Wachen vorbei in den
überdachten Säulengang hinaus, dem er in
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