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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Bauch eingepflanzt hatte! Er wischte die
Gewissensbisse beiseite und ignorierte die kleine Stimme, die ihm
einflüsterte, dass er jetzt nicht mehr nur ein Brudermörder
war. Die Jagd würde ihm helfen, seine Unbeschwertheit
wiederzuerlangen! Und sobald das Wetter etwas aufklarte, würde
er nach Konstantinopel zurückkehren und einen Erfolg feiern, der
seine Nachkommen mit Stolz erfüllen würde.

    *******

    »Falk.«
Die Stimme seiner Mutter schien aus weiter Ferne zu kommen. »Falk.«
Die vollkommene Dunkelheit, die ihn umfing, waberte, hellte sich auf
und verzog sich wie Rauch, als plötzlich eine Frauengestalt aus
dem Nichts auftauchte. Wild gelocktes Blondhaar umfloss ein Gesicht,
das von warmen, braunen Augen beherrscht wurde. Ihr Mund verzog sich
zu einem liebevollen Lächeln, als sie Falk eine Hand auf die
Stirn legte, deren Berührung der junge Mann jedoch nicht spürte.
»Mutter?«, fragte er, aber die Frauengestalt verriet mit
keiner Regung, dass sie die Worte gehört hatte. Stattdessen
blickte sie mit unendlicher Traurigkeit auf ihn hinab, bevor sie sich
– genau wie bei ihrem letzten Besuch – in Feuer
verwandelte und verschwand. »Nicht!«, flehte er und
erwachte in einer Hölle, deren Qualen ihm den Verstand raubten.
Als habe jemand sein Bein in siedendes Öl getaucht, um danach
die Haut abzuziehen und zahllose Dolche in sein Fleisch zu treiben,
strahlte der unvorstellbare Schmerz inzwischen so weit aus, dass er
nicht mehr feststellen konnte, wo er seinen Ursprung hatte. Der Laut,
der in ihm aufstieg, erreichte nicht einmal seine Lippen, die –
aufgeplatzt und blutverkrustet – zu taub waren, um sie zu
bewegen. Die Trockenheit in seiner Kehle hinderte ihn am Schlucken,
und jedes Mal, wenn er dennoch einen Versuch unternahm, schien seine
festgeklebte Zunge ein Stück Haut aus dem Gaumen zu reißen.
Herr, nimm mich zu dir und erlöse mich von diesen Qualen, bat er
in Gedanken. Doch der immer mehr anschwellende Schmerz ließ ihn
fürchten, dass Gott ihm niemals helfen würde. Ein lang
gezogenes Wimmern drang an sein Ohr, und es dauerte eine Weile, bis
er begriff, dass er es war, der das Geräusch von sich gegeben
hatte. »Herr, ich glaube, ihr solltet nach der Tabibe schicken«, hörte er jemanden sagen, bevor eine weitere
Welle unbeschreiblicher Pein über ihn hinweg spülte und ihm
erneut die Besinnung nahm.
        Als
er wieder zu sich kam, spürte er, wie jemand seinen Kopf hob und
ihm ein Gefäß an die Lippen setzte. »Trink das«,
wies eine Frau ihn an und flößte ihm einen bitter-süßen
Saft ein. Dann bettete sie ihn vorsichtig wieder in die Kissen, bevor
sie sich an eine zweite Person wandte. »Wann habt Ihr
aufgehört, die Verbände täglich zu wechseln?«
Die Härte in ihrem Ton stand in völligem Gegensatz zu der
Sanftheit, mit der sie zu Falk gesprochen hatte. »Habt Ihr denn
nicht gerochen, dass sein Bein fault?« Die Antwort wirkte
trotzig. »Wenn Ihr wüsstet, wie viele Verwundete wir hier
täglich verarzten, dann würdet Ihr verstehen, dass ich mich
nicht um jeden einzelnen kümmern kann. Ich habe einen der Jungen
damit beauftragt.« Ein Schnauben ertönte und Falk öffnete
mühsam die Augen, um zu sehen, um wen es sich bei den Sprechern
handelte. Der entsetzliche Schmerz schien sich kriechend langsam
dorthin zurückzuziehen, von wo er ausstrahlte. Er suchte nach
einem Rest von Kraft in seinem zerschlagenen Körper, und es
gelang ihm, den Kopf ein wenig zu drehen. Keine zwei Schritte von ihm
entfernt sah eine dunkelhaarige Frau in blütenweißer
Tracht zu einem Mann auf, der sich mit einer ungeduldigen Geste von
ihr abwandte. »Es ist ohnehin Zeitverschwendung! Der Bursche
wird das nächste Bayram Fest wohl kaum erleben.«
Er hustete in die vorgehaltene Hand. »Man hätte das Bein
auf der Stelle abnehmen müssen. Aber Ihr musstet ja darauf
bestehen, es zu behandeln.« Die Frau zog die Oberlippe hoch und
erwiderte schroff: »Das Ziel eines Arztes ist es, den Körper
zurück ins Gleichgewicht zu bringen. Wie wollt Ihr das
erreichen, wenn Euer erstes und oberstes Gebot ist, ihn zu
verstümmeln?« Ihr Gegenüber öffnete den Mund,
aber sie winkte ungehalten ab. »Meine Cariyesi und ich werden uns ab heute
um diesen Patienten kümmern. Ausschließlich.« Damit
kehrte sie ihm brüsk den Rücken und warf Falk einen
prüfenden Blick zu. »Kannst du mich hören?«,
fragte sie, und Falk versuchte ein Nicken. Die Frau hob den Kopf.
»Flöß ihm noch etwas von dem Mohnsaft ein, Sapphira.
Dann

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