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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Sapphira
schoss das Blut in die Wangen. »Sie könnten dir die Sicht
trüben und dich davon abhalten, das zu tun, was nötig ist.«
Sapphira holte Luft, aber die Tabibe hob warnend den Finger. »Ich
spüre, was du für ihn empfindest«, sagte sie.
»Vergiss nicht, dass auch ich über die Gabe verfüge,
die ich in dir erkannt habe.« »Aber…«, hub
die junge Frau an. »Aber du solltest immer daran denken, wer
dein Herr ist«, beendete die Heilerin den Satz. Mit diesen
Worten stemmte sie sich in die Höhe und bedeutete Sapphira ihr
zu folgen. »Zwei Hofdamen mit Zahnschmerzen warten darauf, von
ihren Beschwerden befreit zu werden.« Sie kehrten in den
Bereich der Frauen zurück, wo Sapphira sich entschuldigte, um
sich im Hamam von
Blut und klebrigem Sekret zu reinigen, ehe sie ihren weiteren
Pflichten nachkam. Bevor sie das Bad betrat, entstand am Eingang des
Hospitals jedoch ein Aufruhr, als eine Jariye den dort beschäftigten
Helferinnen etwas zurief. Augenblicklich ließen die Frauen
alles stehen und liegen und folgten der Dienerin, die wild
gestikulierend in den Hof hinaus zeigte.
        Kopfschüttelnd
sah Sapphira ihnen nach und drückte die Tür des Hamams auf. Vermutlich stolzierte
wieder eine der Konkubinen oder Sultansgemahlinnen in neuem Putz über
den Hof, dachte sie verächtlich und biss die Zähne
aufeinander, als viel zu heißes Wasser ihre Haut berührte.
Als könne sie sich damit von den Gefühlen reinigen, welche
die Tabibe so
richtig erkannt hatte, genoss sie die Taubheit, die allmählich
ihre Arme hinaufkroch, und lauschte auf das Prasseln des Feuers.
Jeden Morgen und Abend befestigten die Hospitalhelferinnen riesige
Kessel über den Feuerstellen, die tagein, tagaus in Betrieb
waren. Die Hitze hüllte sie ein und ließ ihr den Schweiß
auf die Stirn treten, aber die Wärme konnte nicht bis in ihr
Innerstes vordringen. Was, wenn die Behandlung keinen Erfolg zeigte,
und er starb? Sie schluckte das Brennen in ihrer Kehle und griff nach
einer groben Bürste. Warum fühlte sie sich nur so hohl und
leer? Tränen stiegen in ihren Augen auf, als sie ihre Hände
brutal mit den harten Borsten bearbeitete. Er war ein Patient, nichts
weiter als ein Patient, dessen Leiden sie lindern wollte! Sie biss
die Zähne zusammen und schleuderte die Bürste von sich.
Jedes Leben war wertvoll, jedes Leben, das sie retten konnte, ein
Sieg über den Tod! Mit leerem Blick angelte sie sich ein
Badetuch und trocknete sich ab. Tief in Gedanken versunken walkte sie
den Stoff zwischen den Fingern, obwohl ihre Hände schon längst
nicht mehr nass waren, und schrak zusammen, als eine schrille Stimme
aus dem Hauptteil des Darüssifas an ihr Ohr drang. »Sie
richten sie hin! Gülbahar soll hingerichtet werden!«
        Die
Worte trafen sie wie ein Schlag. »Was?!«, wisperte sie
und ließ das Badetuch fallen, als ob sie sich daran verbrannt
hätte. »Das kann doch nicht wahr sein!« Als sei ihr
der Teufel auf den Fersen, stürzte sie aus dem Hamam und flog den Korridor entlang
hinaus ins Freie. Wenngleich ein unangenehmer Wind über den Hof
pfiff, empfand sie keine Kälte, als sie den anderen Frauen
folgte, die zielstrebig in Richtung Moschee strömten. Dort,
direkt vor den Treppen, auf denen sie und die Gefährtin den
Abzug des Sultans verfolgt hatten, knieten zwei Gestalten, deren
Uniform sie als Janitscharen auswies. Zwar hatte einer der jungen
Männer dunkle Haut, aber es handelte sich eindeutig um einen der
blau-rot gekleideten Fußsoldaten. Erleichterung durchströmte
sie, und sie wollte gerade wieder kehrtmachen, als ein Wächter
den Gefangenen die weißen Mützen vom Kopf riss. Während
einer von ihnen kurz geschoren und eindeutig männlich war,
ließen die fein geflochtenen Zöpfe die andere Gestalt
eindeutig als Frau erkennen. »Oh, mein Gott«, entfuhr es
Sapphira, die wie die anderen Anwesenden aufkeuchte. »Gülbahar!«
In den weit aufgerissenen Augen der jungen Frau waren Furcht,
Verwirrung aber auch Trotz zu lesen. »Hört her!«,
tönte ein teuer gekleideter Offizier, an dessen Seite ein
kostbares Schwert hing. »Diese beiden Unwürdigen haben den
Sultan verraten. Sie wurden auf frischer Tat ertappt, als sie aus dem
Palast fliehen wollten.« Er wies mit dem Kinn auf zwei
Holzklötze zu seinen Füßen, und augenblicklich
zerrten vier grobschlächtige Kerle Gülbahar und Andor vor
ihn. »Die Strafe dafür ist der Tod. Den mächtigen
Sultan Bayezid Khan hintergeht man nicht!« »Nein!«,
flüsterte Sapphira erstickt,

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