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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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als einer der Männer Andors
Kopf auf den Block drückte und ein Krummschwert zog. »Bitte
verschont sie.« Auch die anderen Versammelten tuschelten
durcheinander, doch das Geräusch der auf Holz auftreffenden
Klinge ließ alle verstummen. Die unheimliche Stille wurde von
einem lang gezogenen Schrei durchschnitten, der so entsetzlich war,
dass Sapphira sich die Hände auf die Ohren presste. Mit einem
Auge sah sie, wie die Soldaten Gülbahar zu dem zweiten Block
zerrten, aber bevor auch ihr Leben von der Schneide beendet wurde,
machte Sapphira kehrt und rannte zurück zum Hospital.
        Dort
sank sie schlotternd auf einen Schemel und vergrub das Gesicht in den
Händen. Das war es also gewesen, was die Freundin ausgeheckt
hatte! Die Flucht mit ihrem Geliebten. Ihr Zwerchfell zog sich
krampfhaft zusammen. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Wie
hatte sie nur annehmen können, dass niemand die plumpe List
durchschaute? Zorn gesellte sich zu der überwältigenden
Traurigkeit, die ihr das Bewusstsein bescherte, dass Gülbahar
ihr Leben verschwendet hatte. Warum hatte sie sich nicht damit
abfinden können, dass ihre Liebe zu Andor unmöglich war?
Warum hatte sie es sich in den Kopf setzen müssen, Glück zu
suchen, wo keines zu finden war? Sie fuhr sich grob mit dem Ärmel
über die Augen und zog die Nase hoch. Hatte die Valide nicht deutlich genug gemacht,
was die Strafe für einen derart ungeheuerlichen Betrug war? Ihre
Augen schwammen immer noch. Sicherlich hatte die Freundin sich in
letzter Zeit von ihr zurückgezogen, aber das änderte nichts
daran, dass Sapphira sie beinahe so sehr geliebt hatte wie die
Schwester, die sie niemals gehabt hatte. Sie ballte die Hände zu
Fäusten und starrte auf ihre Zehenspitzen. Sie musste ihr Herz
verhärten! Wenn sie nicht das gleiche Ende nehmen wollte wie
Gülbahar, dann musste sie vermeiden, in dieselbe Falle zu
tappen. Die Tabibe hatte
recht. Ihre Liebe durfte ausschließlich dem Padischah, dem erhabenen Bayezid Yilderim gelten, der sie irgendwann mit dem Geschenk seiner Aufmerksamkeit
ehren würde. Kein anderer durfte jemals einen Platz in ihrem
Herzen in Anspruch nehmen! Ihre Lippen bebten, als die Trauer
zurückkehrte und erneut ein Schluchzen in ihr aufstieg.

Kapitel 61
     
    Burg
Katzenstein, Winter 1400
     
    Die
Schneedecke verwandelte die Landschaft in etwas, das in seiner
Schönheit und Makellosigkeit beinahe übernatürlich
wirkte. Wie Wächter aus einer anderen Welt thronten riesige
Saatkrähen in den kahlen Wipfeln der Bäume und warnten mit
durchdringendem Krächzen vor Kälte und Tod. Hin und wieder
hüpfte eines der großen Tiere von einem Ast zum anderen,
und manchmal dachte Otto, die schwarzen Augen könnten selbst aus
der Entfernung all seine Geheimnisse erkennen. Geistesabwesend drehte
er das schmale Goldband an seinem Finger und ließ den Blick
über seine Ländereien schweifen. Nach einer wilden und
erschöpfenden Hochzeitsnacht mit Helwig freute er sich auf den
Ausritt, der zeigen würde, ob der Weg nach Ulm passierbar war.
Seit Tagen drängte es ihn vor die Mauern der Burg, in der er
sich mehr und mehr wie in einem geräumigen Gefängnis
fühlte. Das verglaste Fenster warf ein schwaches Spiegelbild
zurück, das beinahe wirkte wie ein durchscheinender Geist. Otto
unterdrückte ein Frösteln und betastete die Stelle, an der
vor wenigen Tagen noch ein Kinnbart gesprossen war. »Nimm ihn
ab, Liebster«, hatte Helwig ihn gebeten. »Mir zuliebe.«
Und wie jede andere Bitte, hatte er ihr auch diesen Wunsch erfüllt.
Nicht einmal vier Wochen hatte sie ihm Zeit gegeben, um den zwar
geheuchelten aber nötigen Bund vor Gott zu schließen, mit
dem sie den Rest der Welt täuschen würden. »Luzifer
ist mächtiger als Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige
Geist zusammen«, hatte Helwig ihm versichert. »Wenn der
Tag des Jüngsten Gerichts kommt, wird der Herr der Finsternis
triumphieren und seine Diener werden belohnt werden.« Otto
legte den Daumen an die Lippen und wandte den Kopf, als ein Rascheln
verriet, dass Helwig sich bewegt hatte. Im Schlaf wirkte sie
friedlich und unschuldig wie ein Kind – die vollen Lippen
leicht geöffnet, die kleinen Hände von den rostroten Locken
bedeckt. Und obwohl er sich manchmal vor ihr fürchtete, war er
ihr mit Haut und Haar verfallen. Deshalb war es ihm nicht
schwergefallen, den kläglichen Rest seiner Familie – die
Verwandtschaft seiner Mutter, allen voran seinen Onkel Friko von
Oettingen – zu belügen und zu

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