Die Heilerin des Sultans
mehr
so oft kommen können.« Die Enge in Falks Brust verstärkte
sich. »Der Hekim wird
dich die restliche Zeit über verarzten. Die Wunde ist sauber, es
reicht, wenn ich einmal am Tag nach dir sehe.«
Etwas
in ihrer Stimme verriet ihm, dass es sie ebenso schmerzte wie ihn,
und er tastete erneut nach ihrer Hand. Dieses Mal wich sie ihm nicht
aus, sondern schloss die kühlen Finger um die seinen. Das
Gefühl, das ihn ohne Vorwarnung durchströmte, ließ
ihn schwindelig die Augen schließen. Einige Momente lang ließ
er sich treiben, genoss die Wärme, die ihn erfüllte und die
Vorstellung, sie nie wieder loslassen zu müssen. Doch dann löste
sie sich von ihm und der Traum zerplatzte. »Ich muss gehen«,
flüsterte sie, und der Ausdruck in ihren wundervollen Augen
übergoss Falks Körper mit Feuer. Deutlich las er darin, was
sie so vergeblich zu verbergen gesucht hatte. Und wenngleich ihm ihre
Traurigkeit das Herz zerreißen wollte, sprengte ihm ein
unvermutetes Hochgefühl fast die Brust. Sie empfand das Gleiche
für ihn wie er für sie! Ihre Fingerspitzen streiften ein
letztes Mal seine Haut, bevor sie sich mit einem unterdrückten
Laut abwandte und davoneilte. Fassungslos und halb berauscht vor
Glück sah er ihr nach, bis sie wieder hinter der Tür
verschwunden war, die er am liebsten eigenhändig niedergerissen
hätte. »Die hat es dir aber angetan«, prustete Hans
und brachte Falk unsanft in die Realität zurück. »Wusstest
du, dass die Mädchen alle Christinnen sind?« Obwohl Falk
keine Lust auf ein weiteres Gespräch mit Hans hatte, schüttelte
er den Kopf. »Das ändert doch nichts, oder?«, gab er
abweisend zurück und griff nach einem Stück Holz, um sich
damit abzulenken. »An deiner Stelle würde ich sie nicht
allzu genau ansehen«, warnte sein Bettnachbar. »Der
Sultan macht kurzen Prozess mit jedem, der seinen Frauen zu nahe
kommt.« Falk grunzte und grub die kleine Klinge in das Holz.
Ansehen! Wenn Hans wüsste, wie wenig ihm der Sinn danach stand,
Sapphira lediglich anzusehen!
Kapitel 64
Burg
Katzenstein, Winter 1401
»Wo
warst du?« Das flackernde Licht der Fackel spiegelte Ottos
Unsicherheit wider. »Zu dieser Stunde solltest du nicht alleine
unterwegs sein.« Helwig musterte ihn ausdruckslos und schob ihn
zur Seite. Der Schnee knirschte unter ihren Schuhen, als sie ohne
Hast auf den Palas zusteuerte. Kein einziger Stern stand am Himmel,
und selbst dem Mond gelang es nicht, die dichte Wolkendecke zu
durchdringen. Einzig das kalte, blau-weiße Licht, das hin und
wieder durch eine Lücke blitzte, ließ den Himmelskörper
erahnen. »Manche Kräuter müssen bei Vollmond
geschnitten werden«, erwiderte sie endlich, als sie den Eingang
zum Haupthaus fast erreicht hatten. »Aber es ist Winter!«,
platzte es aus Otto heraus. »Was für Kräuter wachsen
denn im Winter?« Sie zuckte die Achseln und stieß die Tür
zur Halle auf. »Eberraute, Gundelrebe, Hagebutten und Wallwurz,
um dir nur einige zu nennen«, versetzte sie ungerührt und
entzündete eine Öllampe. »Außerdem brauchte ich
Eichenrinde und einige Wurzeln.« »Du hättest mich
bitten können, dich zu begleiten.« Otto biss sich auf die
Zunge, als er den bettelnden Unterton in seiner Stimme hörte.
Helwig wandte sich ihm zu und hob das von der Kälte gerötete
Gesicht. »Ich wollte dich nicht damit belästigen«,
sagte sie spöttisch und befreite die Locken von dem dicken
Wolltuch, mit dem sie sich vor der Witterung geschützt hatte.
Ein einzelner Strohhalm segelte zu Boden. Ohne mit der Wimper zu
zucken, bückte sie sich danach, hob ihn auf und stopfte ihn in
den Korb – als handle es sich um eine weitere seltene Zutat für
ihre Tränke. Otto schluckte den Ärger und die Eifersucht,
die in ihm aufwallten, und folgte ihr die Treppe hinauf, nachdem er
die Fackel gegen eine Lampe eingetauscht hatte. Seit dem
Weihnachtsfest, das sie nur begangen hatten, um das Gesinde zu
täuschen, verhielt sie sich merkwürdig. Mehrmals war er
bereits nachts aufgewacht und hatte ihre Seite des Bettes verlassen
vorgefunden. Die ersten Male hatte er angenommen, sie hätte sich
in die Kammer unter dem Dach zurückgezogen. Doch eines Morgens
hatte er kurz vor Sonnenaufgang den Abtritt aufgesucht und sie mit
einer Laterne über den Hof huschen sehen.
»Warte
nicht auf mich«, sagte sie. »Ich muss den Schutzzauber
für unser Kind auffrischen und einige der Kräuter
verarbeiten.« Otto heftete den Blick auf ihre Rückseite
und schluckte
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