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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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»Warum hat der Schadenszauber nicht ausgereicht?
Warum hast du zu Gift greifen müssen?« Helwig schürzte
die Lippen und entgegnete ruhig: »Das hatte ich dir doch
bereits erklärt. Ich konnte keinen weiteren Gegenstand von ihm
bekommen, der persönlich genug war. Was hätte ich denn tun
sollen? In seinem Hof auftauchen und ihm den Hut vom Kopf reißen?«
Ihre Stimme hatte einen spöttischen Unterton angenommen.
»Beruhige dich«, sagte sie und kehrte ihm den Rücken,
um sich an einem Krug zu schaffen zu machen. Wenig später wandte
sie sich ihm wieder zu – je einen Becher in der Hand. »Lass
uns etwas trinken«, schlug sie vor und reichte ihm eines der
Trinkgefäße. Mürrisch starrte Otto in die dunkelrote
Flüssigkeit, bevor er den Becher an die Lippen setzte und einen
tiefen Schluck nahm. Sauer, fruchtig und ein wenig bitter, dachte er
und genoss das Gefühl der Wärme, das sich in ihm
ausbreitete. Helwig hob ebenfalls den Kelch, trank aber nicht daraus.
Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete sie, wie Otto auch den Rest
des Weines die Kehle hinunterstürzte. Als er den Becher mit
einem zufriedenen Laut auf dem Tisch abstellte, trat ein Lächeln
in ihr Gesicht, das sich nach einigen Augenblicken in ein hämisches
Grinsen verwandelte. Die grünen Augen schienen plötzlich
Funken zu sprühen, und die kleinen, makellosen Zähne
blitzten raubtierhaft. Mit einem Gurgeln griff Otto sich an die
Kehle, als diese sich ohne Vorwarnung zuschnürte.
        Japsend
zerrte er am Kragen seines Rockes und öffnete den Mund, um zu
sprechen, aber seine Zunge gehorchte ihm nicht mehr. Furcht lähmte
ihn, schoss wie Feuer in seine Glieder und ließ ihn auf die
Knie fallen. Während er erfolglos um Atem rang, verschwamm der
Raum vor seinen Augen und Helwigs Stimme drang wie aus weiter Ferne
zu ihm vor. »Wärst du nicht so verstockt, hättest du
noch ein wenig länger leben dürfen«, sagte sie kalt
und ging vor ihm in die Hocke. Als wäre er nichts weiter als
eines der unheimlichen Präparate, die sie unter dem Dach
aufbewahrte, beobachtete sie, wie ihm Schaum auf die Lippen trat.
Sein Blick zuckte zu ihrem Bauch, und sie stieß einen harten
Laut aus. »Dachtest du etwa im Ernst, das Kind, das ich in mir
trage, sei von dir?«, fragte sie schneidend und lachte kalt,
als Otto versuchte, etwas zu erwidern. »Du Narr!« Ihr
ehemals schönes Gesicht verwandelte sich in eine Fratze des
Hasses. »Es ist das Kind des Schmiedes. Anders als du, ist er
ein richtiger Mann, der weiß, was einer Frau gefällt!«
Sie legte den Kopf schief und berührte mit den Fingerspitzen
seinen Mund. »Ein Bund mit dem Teufel! Ihr glaubt, was ihr
glauben wollt und fürchtet euch vor nichts mehr als eurer
eigenen Bosheit.« Ihre Stimme troff vor Hohn. »Ich bin
genauso wenig eine Dienerin des Satans wie du ein Diener Gottes.«
Otto bemühte sich, die Hand zu heben, um sie zu erwürgen,
doch es gelang ihm nicht. Helwig die Hexe, Helwig, die Hure! Die
geflüsterten Worte fielen ihm siedend heiß ein. Jemand
hatte gewusst, dass sie ihn hinterging. Sie zupfte nachdenklich an
der Lippe, bevor sie sich erhob und verächtlich auf ihn
hinabsah. »Du hast deine Seele für nichts und wieder
nichts verkauft«, spottete sie. Die Zunge in Ottos Mund schwoll
immer mehr an und raubte ihm die Luft zum Atmen. Röchelnd hob er
den Kopf, um sie um Hilfe anzuflehen, aber kein Muskel in seinem Leib
gehorchte. Ohne, dass er etwas dagegen unternehmen konnte, sackte er
zur Seite weg und blieb beinahe regungslos auf dem Boden liegen. Das
Licht der Sommersonne spielte mit dem Staub, der tanzend auf die
sauber gefegten Dielen sank. Helwig legte den Kopf schief und
betrachtete ihn interessiert. »Das nächste Mal sollte ich
die Dosis erhöhen«, stellte sie ungerührt fest. »Das
dauert mir zu lange.« Dann zog sie das Tuch von ihrem Haar und
begann, die Flut roter Locken zu lösen. »Weißt du«,
warf sie ihm über die Schulter zu, während sie nach einem
Kamm griff. »Ich brauche die Zucht deines Neffen nicht. Es
reicht mir, diese Burg für mich allein zu haben.«
Allmählich schwand Ottos Sehkraft, und in seinen Ohren schien
ein gewaltiger Sturm zu toben. Helwig warf den Kamm zurück auf
das kleine Tischchen und stellte fest: »Der Betrüger ist
betrogen worden.« Das war das Letzte, was Otto hörte. Dann
setzte sein Herz aus. Ein einsamer Gedanke begleitete ihn in die
andere Welt – Gottes Zorn hatte ihn eingeholt.

Kapitel 76
     
    Bursa,
Winter 1401
     
    Die blaue
Wand des

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