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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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nicht
bedingungslos der Herrschaft des Sultans unterwarfen. Er schob die
Überlegung beiseite und konzentrierte sich auf den Plan, der
während der langen Abwesenheit in seinem Kopf gereift war.
Gleich morgen würde er mit einem der Pferde des Sultans
ausreiten – unter dem Vorwand die Muskeln des Tieres zu lockern
– und nach einem Schiff Ausschau halten, dessen Ziel das
Mittelmeer war. Er hoffte inständig, dass es noch nicht zu spät
war, da aufgrund der Winterstürme weit weniger Koggen und
Galeeren unterwegs zu sein schienen als für gewöhnlich.
Dann würde er Sapphira Nachricht zukommen lassen, wann er sie
hinter der Kate des alten Kräuterweibes treffen würde. Und
dann würden sie das tun, was Ünsal ihm ans Herz gelegt
hatte: Sie würden sich auf die Gnade und Barmherzigkeit eines
Gottes verlassen, der diejenigen beschützte, deren Herz rein
war. Als Hans’ Redefluss endlich versiegte und auch die anderen Sipahi- Burschen
und Stallknechte zur Ruhe kamen, schlüpfte er voll angezogen
unter die dünne Decke und wartete darauf, dass die anderen
anfingen zu schnarchen. Gegen Mitternacht tastete er nach der
Schnitzerei, die er während des Feldzuges für Sapphira
angefertigt hatte und steckte sie in seine Tasche. Kurz darauf stahl
er sich vom Heuboden, huschte aus dem Stall und schlich zu der
verborgenen Tür, hinter der Sapphira auf ihn warten würde.
Auch wenn heute nicht Freitag gewesen wäre, hätte er sich
keine Sekunde länger gedulden können, sie in die Arme zu
schließen, sie zu spüren, zu schmecken und zu riechen.
Sein Puls schlug schneller, als er sich vorstellte, wie seine Hände
ihren Körper erkundeten. Das Prickeln, das sich von seiner
Kopfhaut über seinen Rücken ausbreitete und schließlich
für ein Stechen in seinen Lenden sorgte, ließ ihn die
Zähne aufeinanderbeißen. Er war süchtig nach ihr.
Ihre Abwesenheit hatte ihm an manchen Tagen fast schon körperliche
Pein bereitet. Mit angehaltenem Atem beschleunigte er die Schritte
und griff nach dem Eisenring der Tür wie ein Ertrinkender nach
einem Strohhalm.
        Ein
Ruck ging durch seinen Arm, als sich die Tür weigerte
nachzugeben. Verwundert zog er etwas kräftiger an dem
verrosteten Eisenring, aber außer dass der Ring leise
quietschte, regte sich nichts. Hilflos sah er sich um, horchte in die
Nacht und trat von einem Fuß auf den anderen. Wo war Sapphira?
War er zu früh? Seine Gedanken überschlugen sich.
Vielleicht brauchte jemand im Hospital ihre Hilfe. Mit einem mulmigen
Gefühl in der Magengrube, schlug er sich weiter in die Büsche
und lehnte sich mit dem Rücken gegen die kalte Mauer. Er würde
auf sie warten. Früher oder später musste sie auftauchen.
Stunden vergingen, und die feuchte Kälte der Nacht sorgte
irgendwann dafür, dass er anfing, am ganzen Körper zu
zittern. Seine Zähne schlugen unkontrollierbar aufeinander, und
wenngleich er versuchte, sich warm zu halten, gab er irgendwann auf
und kroch zurück in den Hof. Die Luft roch nach Regen und nasser
Erde, und ein schmaler Silberstreif am Horizont verkündete die
heraufziehende Dämmerung. Durchgefroren, besorgt und ängstlich
wischte er zurück in den Stall und verbarg sich in einer Box,
als sich plötzlich Schritte näherten. Mit einem Auge lugte
er durch ein Astloch in der Tür und erkannte zwei der älteren
Burschen, die sich damit gebrüstet hatten, bald in den Stand
eines Sipahi erhoben
zu werden. Kaum hatten sich die beiden Männer entfernt, machte
er, dass er zu Shaitan kam,
um vorzugeben, dass er bereits bei der Arbeit war. Ohne bei der Sache
zu sein, füllte er den Futtertrog des Hengstes, gab ihm frisches
Wasser und kraulte seine Mähne. Warum war Sapphira nicht
gekommen?

    *******

    Es war, als
ob ein Gebirge auf Sapphira lastete. Traurig zog sie die blütenweiße Entari über den Kopf, die sie als Tabibe kenntlich
machte, und flocht ihr Haar zu einem dicken Zopf. Dann befestigte sie
den ebenfalls weißen Schleier mit einer Spange und verließ
die Kammer, die seit einigen Wochen ihr Zuhause war. Der kleine Anbau
des Darüssifas beherbergte außer ihr selbst noch
die Ebe – die Hebamme – und einige höhergestellte
Verwaltungsangestellte des Hospitals. Ihre alte Lehrerin, die
ehemalige Tabibe schlief ebenfalls dort – allerdings
hatte sie Sapphira ihr früheres Quartier abgetreten. »Du
bist jetzt die Tabibe «, hatte sie gesagt und ihre
Schülerin mit blinden Augen angesehen. »Das bedeutet, dass
du auch die Privilegien der Tabibe genießt.«

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