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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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bald in die nackte Hoffnung verwandelt, am
Leben zu bleiben. Und so waren weitere Schleier hinzugekommen, die
ihre Gesichtszüge gänzlich unkenntlich machten. Um zu
vermeiden, dass sie allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zog, trat sie
auf leisen Sohlen in den Hintergrund und huschte an der Wand entlang
in die winzige Nische, in der die Pagen die Instrumente und
Arzneisäckchen der Tabibe untergebracht hatten. Während
ihre Herrin dem Sultan den Puls fühlte und sein Blut nahm,
setzte Sapphira einen Tee aus Blutwurz auf und bereitete
Essigumschläge zur Kühlung der immer noch leicht
geschwollenen Gelenke vor.
        »Wie
lange dauert es, bis du einen neuen Hekim gefunden hast?«,
grollte Bayezid an den Kapi
Agha gewandt, der wie eine
zum Zustoßen bereite Schlange hinter der Tabibe lauerte. Dieser, das
offizielle Verwaltungsoberhaupt des Hospitals, verneigte sich tief
und versetzte mit hoher Eunuchenstimme: »Ich wünschte, ich
könnte Euch eine einfache Antwort geben, Erhabener.« Er
rang verzweifelt die Hände. »Aber es besteht Grund zu
allerhöchster Vorsicht«, setzte er unterwürfig hinzu.
»Die Männer müssen befragt werden, ihr Hintergrund
darf nicht den geringsten Zweifel an ihrer Loyalität zulassen.«
Er machte eine kurze Pause, in der Bayezid ungeduldig die Hand der Tabibe von
seiner Armbeuge wegschlug. »Mir geht es ausgezeichnet!«,
knurrte er. »Wann kann ich dieses verfluchte Bett endlich
wieder verlassen?« Bevor die Ärztin darauf antworten
konnte, fuhr der Kapi Agha fort: »Drei Hekims konnten meine Männer
bisher ausfindig machen. Einer von ihnen war halb blind, der zweite
konnte eine Schwangere nicht von einem Buckligen unterscheiden und
der dritte war so eifrig, dass der Agha der Janitscharen es für
angebracht hielt, ihn einer Befragung zu unterziehen.« Er blies
die Wangen auf und zuckte die Achseln. »Dabei kam heraus, dass
er Euch im Auftrag des Emirs Taharten vergiften sollte.«
Sapphira riss die Augen auf. Wenngleich ihre Bewunderung für den
mächtigen Bayezid Yilderim in den vergangenen Tagen sehr
gelitten hatte, entsetzte sie die Vorstellung, dass ein feindlicher
Spion in den Harem des
Sultans vorgedrungen war. Warum hatte sich die Pfeilwunde des Hekims auch entzünden und ihn
töten müssen? War es vielleicht gar kein Unfall gewesen?
»Er hat die Befragung nicht überlebt«, unterbrach
der Kapi Agha ihr
Grübeln und schielte kurz darauf beinahe Hilfe suchend auf die Tabibe.
        Mit
einem unwirschen Grunzen gestattete der Sultan dieser, die
Untersuchung zu beenden, und die von Sapphira vorbereiteten Verbände
anzulegen. Verstohlen beobachtete das Mädchen, wie er
zusammenzuckte, als die Ärztin seine Finger berührte.
»Vorsichtig!«, knurrte er. Einen Moment lang fürchtete
Sapphira, er könne die Tabibe schlagen, so wie er es
bereits einmal getan hatte. Doch die Linderung, welche der kühle
Verband brachte, schien auszureichen, um seinen Missmut im Zaum zu
halten. »Ihr solltet noch ein oder zwei Tage Bettruhe halten«,
verkündete die Ärztin zwar respektvoll aber bestimmt. »Erst
wenn die Schwellung vollkommen abgeklungen ist, ist die Krankheit
besiegt.« Sie hob warnend die Hand. »Aber sie kann
jederzeit wieder kommen, wenn Ihr Euch nicht an den Speiseplan
haltet.« »Ja ja«, erwiderte Bayezid unwirsch, und
wie aus heiterem Himmel fiel Sapphira eine Redewendung ein, die sie
einmal gehört hatte. »Vertrautheit ist der Nährboden
der Verachtung«, dachte sie und hätte um ein Haar genickt,
um den Wahrheitsgehalt dieser Weisheit zu bestätigen. Wohingegen
sie den imposanten Herrscher bei ihrer ersten Begegnung für
einen unbesiegbaren Löwen gehalten hatte, ähnelte er in
seinem jetzigen Zustand mehr einem verwundeten Bären; was ihn
nicht weniger gefährlich, aber weitaus weniger Ehrfurcht
einflößend machte! Sie empfand beinahe etwas wie Trauer
über den Verlust, den sie erlitten hatte. Verloren war der Glanz
der ersten Tage, und es gab Momente, in denen sich die junge Frau
fragte, wie zwei solch unterschiedliche Seelen in ein und derselben
Person wohnen konnten. Denn manchmal, wenn die Schmerzen nicht allzu
groß waren, verschwand der grellrote Farbeindruck und wurde
durch das goldene Schimmern ersetzt, in dem sie ihn das allererste
Mal wahrgenommen hatte. Doch zu anderen Zeiten zeigte ein gemeines,
grausames und rachsüchtiges Wesen sein Gesicht. Ein Wesen, vor
dem sich das Mädchen mit jeder Faser seines Seins fürchtete.
Was war mit dem kraftvollen Liebhaber

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